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Filme im Kino

MoX Kinotipps KW1803.05.2023













Texte: Horst E. Wegener


Adiós Buenos Aires
Deutschland/Argentinien ´22: R: German Kral. Ab 11.5. Wertung: **** Bild: Alpenrepublik, 2023


Argentinien stöhnt um das Jahr 2001 herum unter einer schweren Wirtschaftskrise, die besonders den Mittelstand belastet. Als Besitzer eines kleinen Schuhladens und passionierter Tango-Musiker erwartet Julio Färber (Cremonesi) in seinem Land längst keine Zukunft mehr auf bessere Zeiten für sich – und da er deutsche Wurzeln hat, erscheint ihm ein Neuanfang im fernen Berlin naheliegend. Von diesen Plänen sind allerdings weder das frisch verliebte 15-jährige Töchterchen begeistert, noch die Orchesterkollegen des Bandoneon-Spielers. Nicht dass den Musiker derlei Einwände von seinem Entschluss abbringen könnten; die Reisepässe für die Frau Mama, Tochter Paula und ihn selbst liegen bereit. Doch dann wird der Wagen des Möchtegern-Auswanderers von einer bei Rot über die Ampel fahrenden Taxifahrerin ramponiert – und Fahrerin Mariella (Bellati) weist jegliche Schuld wortreich von sich. Entschwindet dann zwar, aber Julio ist in diesem Fall nicht bereit, klein bei zu geben. Wie gut, dass die Telefonnummer des Taxiunternehmens gut sichtbar auf den Wagen aufgedruckt ist. Von ihrem Chef auf die Karambolage hin zur Rede gestellt, knickt Mariella ein. Bietet Schadenregulierung an – was Julio insoweit gegen den Strich geht, da ihm die temperamentvolle Unfallverursacherin nurmehr 30 kleinere Teilbeträge vorschlägt.
Was der beabsichtigten Ausreise der Färbers zusätzlich Hürden in den Weg räumt: Über Nacht werden landesweit alle Bankkonten eingefroren, ein Orchesterkollege verweigert den Auftritt der Truppe bei einer upperclass-Party und macht damit den Wunsch ihres Bandoneon-Spielers auf ein Abschiedskonzert im Kreis sämtlicher Musiker zunichte; bei Licht betrachtet fällt bald ohnehin auf, dass Mariella dem von einem Neuanfang im fernen Deutschland träumenden Julio zusehends mehr im Kopf herumspukt.
Im Mittelpunkt des Herzschmerzdramas steht neben Diego Cremonis glaubwürdig verkörpertem Ringen um Erkenntnis, dass man für das, was man liebt, kämpfen muss, Julios Passion für den Tango – gleichsam symbolisch für die seelische Achterbahnfahrt, auf die Regisseur German Kral seinen Hauptdarsteller schickt. Und mit dieser melancholisch-leidenschaftlichen Musik, der sich die Bevölkerung Argentiniens mit Inbrunst hingibt, kennt sich der Filmemacher seit seinem Dokumentarfilm „Ein letzter Tango“ bestens aus.

D: Diego Cremonesi, Marina Bellati, Manuel Vicente, Rafael Spregelburd, Carlos Potaluppi, Regina Lammi


Sisu
Finnland/GB/USA ´22: R: Jalmari Helander.  Ab 11.5. Wertung: ****  Bild: Sony Pictures Entertainment Inc.


Ende 1944 liegt der Zweite Weltkrieg auch für die Finnen in den letzten Zügen - und der heimkehrende Soldat Aatami Korpi (Jorma Tommila) ist das Kämpfen wohl nicht als einziger leid. Erst mussten sich seine Landsleute der Russen erwehren, dann legten die Nazis Stadt und Land in Schutt und Asche – es reicht. Um auf andere Gedanken zu kommen, beschließt der kriegsmüde Einzelgänger, in der Einöde Lapplands nach Gold zu suchen. Wird fündig! Packt seinen Schatz aufs Pferd, um die Beute in der nächsten Stadt in Bares umzutauschen. Doch dann begegnet ihm ein Trupp deutscher Soldaten. Diesen irren Psychos kommt der einsame alte Mann mit dem harmlos wirkenden Hund an seiner Seite wie gerufen – dass das Nazi-Pack sich sein Gold greifen will, kann Korpi schon kaum gutheißen. Dass die Fieslinge sein treues vierbeiniges Wollknäuel übern Haufen schießen wollen, geht gar nicht! Wem vor der Leinwand jetzt beispielsweise die erste John Wick-Mär in den Sinn kommt, dem dürfte die Richtung klar sein, in der sich „Sisu“ weiterentwickeln mag. Unzählige Gegner hat Korpi im Verlauf der Kriegsjahre getötet, daheim nennt man ihn den Unsterblichen. Und so legt Actionfilmer Jalmari Helander die Rolle des wortkargen Einzelkämpfers als augenzwinkernde Verbeugung vor der Menschmaschine John Rambo oder dem Ex-Knacki Snake Plissken in John Carpenters B-Picture „Die Klapperschlange“ an. In puncto Brutalität kann sich „Sisu“ mit Quentin Tarantinos trashigen Genreplotten messen, die Actionszenen sind dynamisch und mitreißend vor der kargen Landschaft Lapplands in Szene gesetzt – und der Humor fällt gallig bis rabenschwarz aus.

D: Jorma Tommila, Aksel Hennie, Jack Doolan, Onni Tommila, Mimosa Willamo.


Oink
Niederlande ´22: R: Mascha Halberstad.  Ab dem 4.5. Wertung: ****  Bild: Kinostar


Eigentlich hat sich Babs zum Geburtstag einen Hund gewünscht – doch der Vater der Neunjährigen ist nun mal allergisch gegen Hunde. Und so kommt der erst kürzlich aus dem fernen Amerika übern großen Teich herübergekommene Opa Tuitjes auf die glorreiche Idee, der Enkelin ein Ferkel zu schenken. Mit Oink erobert der vor 25 Jahren ausgewanderte Alte im Handumdrehen das Herz der Neunjährigen; dass Mama wenig begeistert ist, hängt natürlich mit dem nicht sonderlich stubenreinen Vierbeiner zusammen – aber nicht nur! Bald könnte man sich nämlich auch fragen, weshalb Tuitjes damals verschwand, was er in seinem großen Koffer versteckt – und weshalb sich die Berichterstattung im Lokalfernsehen um einen großen Würstchen-Wettbewerb dreht, der nach einem Eklat vor 25 Jahren demnächst wieder stattfinden soll?!? „Oink“ punktet sowohl mit Fäkalhumor als auch mit einer klugen, wendungsreichen Geschichte und stimmigen Stop-motion-Figuren.

Animationsfilm


Mediterranian Fever
Deutschland /Zypern/Israel/Katar ´22: R: Maha Haj.  Ab 4.5. Wertung: ****-  Bild: Dulac Distribution


Waleed (Hlehel) kommt sich wie in einem Hamsterrad vor: Sein Alltag wird dominiert von den Bedürfnissen der Kinder und der Ehefrau, als Schriftsteller will ihm das aktuelle Buchprojekt, über dem er brütet, einfach nicht gelingen. Dann zieht eine neue Familie in die Nachbarwohnung des Palästinensers ein, deren Oberhaupt Jalal (Farah) sich als total gegensätzlich zum chronisch depressiven Waleed entpuppt. Nach intensiverem Beschnuppern freundet sich der Lebensmüde mit seinem undurchschaubaren Nachbarn an. Und er beauftragt Jalal, ihn gegen eine entsprechende Entlohnung zu töten. Zwar weist dieser das Ansinnen Waleeds zunächst sichtlich schockiert zurück. Doch dann werden Jajals Geldsorgen immer größer…
Was zur schwarzhumorigen Feelgood-Komödie hätte taugen können, entwickelt sich unter der Regie Maha Hajs zu einer kenntnisreichen Skizze des Lebens im heutigen Israel, um in eine gallige Studie über Depression einzumünden.

D: Amar Hlehel, Ashraf Farah, Anat Hadid, Shaden Kanboura, Samir Elias.


Music
Deutschland/Serbien ´23: R: Angela Schanelec.  Ab 4.5. Wertung: ***  Bild: Shellac Distribution


Mit „Music“ legt Regisseurin Angela Schanelec eine sehr freie Adaption der Ödipus-Tragödie vor. In den Mittelpunkt ihres im heutigen Griechenland spielenden Kinopoems rückt sie Jon (Schneider). Dieser hat als junger Erwachsener in Notwehr jemanden erschlagen. Kommt dafür hinter Gitter – um sich im Gefängnis in die Wärterin Iro (Banitzer) zu verlieben und mit ihr ein Kind zu zeugen. Wen Jon da auf dem Gewissen hat, realisiert Iro erst, nachdem sie mit ihrem Knast-Liebling eine Familie gründet. Ihr daraufhin über die Bühne gehender Selbstmord fußt dann auf der erschreckenden Erkenntnis, dass Jon ihr Sohn ist, der obendrein seinen Vater erschlug!
Allerdings muss man sich all diese Zusammenhänge als Kinogänger eher zusammenreimen, da sie uns nicht erzählt werden. Die Regie zerstückelt die Vorlage, modernisiert, deutet um, arbeitet mit Auslassungen, Dopplungen – und verweigert sich schnödem Realismus.

D: Leni Deschner, Luc Schiltz, Jonas Kaufmann, Inge Maux, Sophie Zeniti, Benedikt Jenke.


Das Lehrerzimmer
Deutschland ´23: R: Ilker Catak.  Ab 4.5. Wertung: ****  Foto: Alamodefilm


Es ist ihr erster Job als Lehrerin am Hamburger Gymnasium – und Carlas (Benesch) Anspruch an sich selbst, eine Vorzeige-Pädagogin sein zu wollen, stößt zumindest bei der siebten Klasse, in der sie Mathe und Sport unterrichtet, auf erfreulich wenig Ablehnung. Während die Schüler den modernen Methoden ihrer neuen Lehrerin durchaus aufgeschlossen gegenüberstehen, wird das Engagement Carlas von den älteren Kolleginnen und Kollegen skeptisch bis argwöhnisch bewertet. Nicht dass die misstrauisch Beäugte darauf viel geben würde. Unbeirrbar hält sie Kurs – und alles scheint gut, käme es nicht immer wieder zu kleineren Diebstählen an der Schule. Nachdem dann einer der Schüler verdächtigt wird, beschließt Carla auf eigene Faust zu ermitteln. Gerät unweigerlich in die Schusslinie zwischen rechthaberischen Kollegen, dem hoch gehaltenen „Null Toleranz“-Credo der Schulleiterin, empörten Eltern und aufmüpfigen Gymnasiasten. Die Regie stellt die junge Vollblut-Pädagogin in den Mittelpunkt, die sich an ihren moralischen Ansprüchen überhebt und zu scheitern droht. Dank Leonie Beneschs schauspielerischer Glanzleistung fesselt „Das Lehrerzimmer“ als Psychogramm; ihr Ermitteln setzt eine geradezu klassische Tragödie in Gang, bei der unserer Gesellschaft ein Spiegel vorgehalten wird: Was man darin sieht, ist keineswegs erbaulich.
D: Leonie Benesch, Leonard Stettnisch, Eva Löbau, Anne-Kathrin Gummich.

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