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Generationswechsel beim Hurricane28.06.2023



Text und Foto: Thea Drexhage

So kam es vor, dass bei diesen Headlinern zahlreiche Fragezeichen über den Köpfen der Besucher*innen kreisten. Während der ein oder andere Hit von Die Ärzte vielleicht noch Anklang finden konnte, ging es bei den alten Showhasen überwiegend ruhig vor der Bühne zu. Aber nach ihnen, zu später Stunde, dann das kollektive Aufwachen. Moderne Acts wie Kraftklub und Casper schafften es mit dem Schnipsen eines Fingers, zehtausende Menschen zu einer gewaltigen, tanzenden, schreienden, singenden Masse zu transformieren und das Infield in eine Staubwüste zu verwandeln. Was bei all diesen Nennungen wieder bitter auffällt: kaum Flinta* zur Prime-Time. Headlinerinnen sucht man auf dem Festival, das nicht mal eine 30%-Frauenquote schafft, vergeblich. Man findet sie oft in der Mittagszeit im Zelt, wie Alli Neumann am Sonntag, oder auf der abgelegenen roten Mountain Stage, wie The Interrupters am Freitag oder Badmomzjay am Samstag, die zwar einen späten Slot hatte, sich aber gleichzeitig mit den Rockgiganten von Muse und ihrer bombastischen Bühnenshow messen musste. Dass Frauen durchaus auch in der Lage sind, Publikumsmassen allein zu bewegen, zeigt unter anderem Nina Chuba am Sonntag in der prallen Nachmittagssonne. Nachdem der Auftritt der Wildberry-Lillet-Sängerin kurzerhand von der deutlich kleineren roten Bühne auf die blaue Hauptbühne verlegt wurde, gibt es plötzlich kein Durchkommen mehr auf dem Gelände. Alle Campingplätze scheinen sich mobilisiert zu haben, um gemeinsam mit der 25-Jährigen zu feiern und den Herren der Schöpfung zu zeigen, wo der Hammer hängt. Ebenfalls voll wurde es bei Australierin Tash Sultana welche am ersten Tag immerhin um 21:45 Uhr zwischen Peter Fox und Billy Talent auf einer der Hauptbühnen auftreten durfte. Die begnadete Multiinstrumentalistin fegte erst allein, dann mit Band eine Stunde lang über die Bühne und nahm mit schier unzähligen Instrumenten Loops auf, die sich nach und nach zu komplexen Songstrukturen zusammenfanden, zu welchen sie dann scheinbar mühelos auch noch den Gesang beisteuerte. Es ist einer der Auftritte des Festivals, der im Kern zeigt, worum es eigentlich gehen sollte: die Musik. Während viele Künstler, an dieser Stelle wird bewusst das Maskulinum gewählt, auf immer größere und bombastischere Shows setzen und für die Veranstalter selbst die Musik neben all dem Festivalbrimborium nur noch eine Nebensache zu sein scheint, gibt es ab und an eben doch diese kleinen Momente, in denen es um nichts anderes geht, als um das dargebotene Talent auf der Bühne. Es sind die Rettungsversuche eines Festivals, dass sich aus ganz verschiedenen Gründen immer wieder in der Kritik findet. Sei es, dass es noch immer keine eigene Stromversorgung hat, obwohl es seit Jahren auf dem Eichenring in Scheeßel stattfindet. Dadurch wird sämtlicher Strom vor Ort mit Diesel generiert. Oder fragwürdige Sponsoren, wie der Billigklamottenhersteller Shein aus China und das bei einem Festival, das nach außen hin mit schillernden Worten wie „Trasholution“ nachhaltig scheinen will. Oder der Auftritt von Rapper Marteria, der im Frühjahr in den USA festgenommen wurde, da er im Streit mit seiner Freundin handgreiflich wurde, nachdem das Festival verkündet hat, dass es durch Nachwuchswettbewerbe mehr Flinta* fördern möchte. Es bleibt abzuwarten, in welche Richtungen sich Festivals dieser Größenordnung entwickeln werden. Während junge Menschen zunehmend kritischer auf das Dargebotene schauen, sprechen die Ticketverkäufe nach wie vor eine andere Sprache. So waren die 10.000 Tickets der ersten Preisstufe (199 Euro) für das Hurricane 2024 bereits binnen weniger Stunden ausverkauft.

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