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Ein Meister ohne Bleiberecht30.08.2023



Text und Foto: Britta Lübbers
„Besonders seitdem ich selbst Kinder habe.“ Vor zwei Jahren wurde Sohn Miran geboren, Tochter Lea ist drei Monate alt. Jumas Leben hätte auch anders verlaufen können. Ohne den Bürgerkrieg in Syrien hätte er wohl Philosophie studiert. „Ich liebe Philosophie und Literatur.“ Auf seinen linken Oberarm hat er sich eine arabische Gedichtzeile tätowieren lassen. Ohne den Krieg hätte er nicht auf das Gummiboot steigen müssen, um über das Mittelmeer nach Griechenland zu kommen. Er hätte sich nicht der Gefahr ausgesetzt, mit dem Boot zu kentern und später im Lkw zu ersticken, der ihn illegal durch Ungarn fuhr. Aber Juma hatte Glück. Er überlebte. Und er baute sich eine neue Existenz auf. Seine Geschichte handelt vom Gelingen. Sie zeigt aber auch die Härten der Bürokratie. Mohammed Juma wartet seit einem Jahr auf die Anerkennung seiner Geburtsdokumente, die ein befreundeter Anwalt aus Syrien an die deutsche Botschaft im Libanon übermittelt hat. Dort seien sie als echt beurteilt worden, betont er. „Mit Stempel und allem.“ Juma möchte einen unbefristeten Aufenthaltstitel erhalten. Dann könnte er dauerhaft in Deutschland bleiben, er dürfte auf Reisen gehen, er wäre kreditwürdig, er könnte Angestellte haben. Nun liegt der Vorgang seit mehr als zwölf Monaten bei der Ausländerbehörde. So bleibt sein Aufenthaltsstatus ungewiss. Seine Kinder sind Deutsche. Er selbst ist es nicht. Er kann nicht in seine Heimat reisen, um seine Eltern zu sehen. Sie können nicht zu ihm. Er sei froh und traurig zugleich, erklärt er.
Mohammed Juma ist Kurde. Als der arabische Frühling Syrien erreichte, machte er sein Abitur. „Ich hätte zum Militär gemusst, aber das wollte ich nicht.“ Es begann eine rund dreijährige Flucht. Seine Eltern und Geschwister blieben zurück, er machte sich auf den Weg nach Europa. Von Damaskus floh er nach Afrin. Der IS nahm ihn gefangen, während einer Schießerei konnte er entkommen. Er strandete in Istanbul. Als Kurde konnte er dort nicht Fuß fassen, Kurden werden in der Türkei diskriminiert. Er floh weiter nach Griechenland und landete in einem völlig überfüllten Camp. „Ich kam in eine vielleicht 30 Quadratmeter große Zelle mit sehr, sehr vielen Menschen. Die Toilette war in der Zelle, und sie war verstopft. Das war der ekligste Tag meines Lebens.“ Seine schlimmste Nacht war die davor, als er mit dem wackligen Boot übersetzte. „Wir waren so viele auf engem Raum. Die Kinder haben geweint. Ich hatte Todesangst, ich dachte wirklich, wir würden alle sterben.“
In einem Lkw fuhr er – im Laderaum mit zahllosen anderen zusammengepfercht – Richtung Westen. Als er im Juli 2015 schließlich in Passau ankommt, wird er zunächst wieder in einem Camp untergebracht. „Aber die Polizisten waren nett, sie gaben mir eine Zigarette.“ In Deutschland habe er zum ersten Mal das Gefühl gehabt, kein Mensch zweiter Klasse zu sein. Er lernt die Sprache, ist hochmotiviert sich zu integrieren. Nimmt am Projekt IHAFA (Integrationsprojekt handwerkliche Ausbildung für Geflüchtete und Asylbewerber) des niedersächsischen Handwerks teil und lässt sich zum Friseur ausbilden. „Mittlerweile sind aus dem Projekt 148 Geflüchtete im Kammerbezirk Oldenburg schon Gesellen, sieben haben die Meisterprüfung bestanden und nun ist der erste IHAFA-Teilnehmer selbstständig“, teilt die Kammer mit. Der Selbstständige ist Mohammed Juma, der im Juli den Friseursalon Haarvanna in Rastede eröffnet hat. Die Berufswahl ist kein Zufall. „In Syrien war ich Hobby-Friseur, ich habe im Geschäft meines Cousins ausgeholfen“, lächelt Juma. Als Corona grassierte, ging er auf die Meisterschule. „Rumsitzen wollte ich auf keinen Fall.“ Er machte sich fit in Sachen Kalkulation und Betriebswirtschaft, denn er wollte ein eigenes Geschäft eröffnen. Doch wie finanzieren? Da er nur einen begrenzten Aufenthaltstitel besitzt, kam er für das Darlehensprogramm „Mikrostarter“ nicht in Frage. Juma verkaufte sein Auto und steckte den Erlös in den Salon. Inzwischen ist er verheiratet. Seine Frau ist eine in Deutschland geborene Serbin, die – wie er – keine deutsche Staatsbürgerschaft hat. So ist Mohammed Juma ein Zielstrebiger ohne gesicherten Aufenthaltsstatus. Er hat einen Meistertitel, aber kein dauerhaftes Bleiberecht. Er hat seinen Weg gemacht und sitzt doch zwischen den Stühlen.
Was wünscht er sich für die Zukunft? „Ich möchte für meine Familie etwas aufbauen. Und ich möchte meine Eltern wiedersehen. Das ist mein größter Wunsch.“

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