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Filme im Kino

MoX Kino-Tipps KW4907.12.2023











Texte: Horst E. Wegener


Maestro
USA ´23: R: Bradley Cooper. Ab 6.12. Wertung: ***** Bild: Jason McDonald/ Netflix
New York, im November 1943: Für den jungen, hochtalentierten Dirigent Leonard Bernstein (Cooper) wird ein Traum wahr, als man ihn frühmorgens anruft und fragt, ob er am Abend für den urplötzlich erkrankten Starkollegen Bruno Walter einspringen könne? Dessen anberaumtes Konzert in der New Yorker Carnegie Hall wird vom Rundfunk landesweit live übertragen – und macht Walters brillierende Vertretung schlagartig international bekannt. Begnadet wie sich die berufliche Karriere des Senkrechtstarters innerhalb kürzester Zeit anlässt, verfängt Bernsteins Charisma erst recht in seinem privaten Umfeld. Die Heirat mit dem chilenisch-stämmigen Broadway-Starlet Felicia Montealegre (Mulligan), inklusive ihrer drei gemeinsamen Kinder, vermittelt Außenstehenden den Eindruck einer Bilderbuchfamilie. Dass Felicias Göttergatte aber in Wahrheit von einer schon vor der Hochzeit exzessiv gepflegten Neigung, sich Affären mit jungen Männern zu leisten, partout nicht lassen mag, belastet die Ehe. Auch steht einem harmonischen Familienalltag die Natur des Musik-Genies im Weg, sich bisweilen komplett ins Arbeiten zu verlieren.
Leonard Bernstein, Komponist von unter anderem „West Side Story“ und zudem einer der gefeiertsten US-amerikanischen Stardirigenten aller Zeiten wird vom Kinotausendsassa Bradley Cooper mit einem eher untypischen Biopic gehuldigt, das sich weniger für die Karriere der Musikgröße interessiert und stattdessen vor allem das Privatleben und die destruktive Natur des Egozentrikers in den Mittelpunkt stellt. In schnellen Sprüngen erzählt „Maestro“ vom Eheglück-, -frust und –zoff, darf Carey Mulligan als bessere Hälfte Bernsteins glänzen – derweil Cooper (der nach „A Star is born“ erneut als Regisseur, Hauptdarsteller, Drehbuchkoautor und Ko-Produzent des Films punktet) alles daran setzt, seine bisexuelle Hauptfigur nicht völlig unausstehlich wirken zu lassen.  Unterm Strich bringt er dem Kinopublikum die Bernstein-Ehe als eine erwachsene Liebesgeschichte nahe, baut diese zu einem gleichermaßen provokanten wie schillernden Überblick über das Leben und das Vermächtnis des 1990 verstorbenen Musik-Titans aus. Grandios gelungen.
D: Bradley Cooper, Carey Mulligan, Maya Hawke, Sarah Silverman, Sam Nivola, Matt Bomer, Vincenzo Amato, Greg Hildrath.


Die Bologna-Entführung – Geraubt im Namen des Papstes
Italien/ Frankreich/ Deutschland ´23: R: Marco Bellocchio. Ab 7.12. Wertung: **** Foto: IBC Movie
Dass die im christlichen Glauben erzogene Amme den ihr von ihren jüdischen Herrschaften, den Mortaras, anvertrauten jüngsten Sprössling der Familie klammheimlich nottaufen lässt, gesteht sie dem Hausherrn (Alesi) natürlich nicht. Erst Jahre später wird diese Aktion von ihr beim Beichten einem Priester gegenüber zur Sprache gebracht – und natürlich bekommt dann auch der katholische Inquisitor Pier Gaetano Feletti (Gifuni) Wind davon. Prompt beordert Feletti Soldaten zum Haus der Mortaras, um deren mittlerweile siebenjährigen Jungen mitzunehmen. Aus Sicht von Edgardos Eltern eine durch nichts zu rechtfertigende Entführung, gegen die sie heftig rebellieren. Doch egal ob die Mortaras jüdische Organisationen oder die liberale Presse einschalten, was alsbald zu Interventionen Frankreichs, Großbritanniens und Österreichs beim Heiligen Stuhl führt – nichts hilft. Laut Inquisitor Feletti lasse sich Edgardos Taufe nicht rückgängig machen, sei er ein Christ für immer. Und gemäß des für den Wohnort der Mortaras geltenden Kirchenstaatsrechts dürften in Bologna getaufte Kinder ums Jahr 1858 herum nicht von Juden erzogen werden. Also wird der Siebenjährige in einem sogenannten Katechumenenhaus in Rom untergebracht, wo man ihm  gemeinsam mit anderen Kindern das Christentum näherbringt. Nach anfänglicher Verzweiflung erkennt Edgardo, dass es der klügere Weg ist, nicht aufzumucken, sondern sich anzupassen.
Als profunder Kenner der italienischen Kirchengeschichte konzentriert sich Altfilmer Marco Bellocchio auf den entführten Mortara-Sprössling (verkörpert von Leonardo Maltese als Heranwachsender, Enea Sala als Kind), der zu einem Schweiger und Beobachter heranwächst, und sich selbst unsinnigsten Forderungen des Papstes (Pierobon), etwa mit der Zunge drei Kreuze auf den Boden zu lecken, nicht widersetzt. Unglaublich aber wahr: Das Historiendrama rekapituliert eine verbürgte Geschichte, überführt sie in einen schier unglaublichen Politkrimi, ohne Edgardos klerikale Erzieher allzu negativ darzustellen. Im Abspann enthüllt Bellocchio dann, dass der den Augustiner-Chorherrn beigetretene erwachsene Edgardo vorm befürchteten Abtransport gen Auschwitz durch die Nazis in einem Kloster versteckt wurde, wo er 90-jährig anno 1940 verstarb.
D: Paolo Pierobon, Fausto Russo Alesi, Barbara Ronchi, Enea Sala, Leonardo Maltese, Filippo Timi, Fabrizio Gifuni.


Wonka
USA/ Kanada/ Irland/ Frankreich/ Australien ´23: R: Paul King. Ab 7.12. Vorankündigung. Foto: Warner Bros. Entertainment
Willy Wonka, jenen großen Erfinder, Zauberkünstler und weltbesten Schokoladenfabrikanten dürfte jedes Kind aus dem Jugendbuchbestseller „Charlie und die Schokoladenfabrik“ von Roald Dahl kennen. In „Wonka“ blättert uns Regisseur Paul King die Vorgeschichte zur Schokokarriere-Mär auf - und erzählt einem, wie der junge Willy (verkörpert von Timothée Chalamet) zu diesem einzigartigen Chocolatier wurde. Dabei hat er´s gar nicht so leicht, sich gegen die Schoko-Rivalen Slugworth, Prodnose und Fickelgruber durchzusetzen, die stets bemüht sind, sich gegenseitig und vor allem Willy Wonka in den Ruin zu treiben.
Erste Trailerclips verheißen ein Hollywoodmärchen par excellence.
D: Timothée Chalamet, Sally Hawkins, Rowan Atkinson, Olivia Colman, Calah Lane, Keegan-Michael Key, Jim Carter, Mathew Baynton.


Munch
Norwegen ´23: R: Henrik Martin Dahlsbakken. Ab 14.12. Wertung: *** Bild: Splendid Film
Feinsinnig, empfindsam, melancholisch und kränklich lauten jene Begriffe in „Munch“, mit denen Biopic-Filmer Henrik Martin Dahlsbakken sein norwegisches Maler-Genie über all die Jahre hinweg zu charakterisieren versucht. Auf vier Episoden reduziert, die mit dem Künstler im Alter eines 21-Jährigen bis hin zum Achtzigjährigen von den Schauspielern Strande, Nyquist, Furuseth und sogar von Anne Krigsvell verkörpert werden, geht der Film bis ins Jahr 1885 zurück, um uns den jugendlichen Edvard näher zu bringen, der übern Sommer bei Verwandten auf dem Land weilt, sich unglücklich verliebt und sich als Landschaftsmaler versucht. Rund zehn Jahre später weilt der Einzelgänger dann in Episode II in Berlin, kreiert er die erste Fassung des weltberühmten weiblichen Schrei´, um uns zum mittlerweile etablierten Künstler gereift in Episode III als Patient einer Kopenhagener Nervenklinik präsentiert zu werden. Im hohen Alter versucht der Achtzigjährige sein Lebenswerk vor den Nazis zu schützen, indem er seine Arbeiten der Stadt Oslo vermacht.
So sehr uns Munchs zeitlose Kunst noch immer packt, das biografische Portrait Dahlsbakkens wird von der Regie letztlich zum missverstandenen Außenseiter abgestempelten Künstlergenie nur ansatzweise gerecht.
D: Alfred Ekker Strande, Mattis Herman Nyquist, Ola G. Furuseth, Anne Krigsvell, Jesper Christensen.


Raumpatrouille Orion – Rücksturz ins Kino
Deutschland 1966/2023: R: Michael Braun. Ab 14.12. Wertung: **** Bild:  EuroVideo Medien
Als das Fernsehen weltweit noch in Schwarz-weiß produziert wurde, gab es hierzulande eine Serie, die stets mit den unvergesslichen Begrüßungsworten auftaktete: „Was heute noch wie ein Märchen klingt, kann morgen Wirklichkeit sein. Hier ist ein Märchen von übermorgen“. Erkannt? Richtig – was den Amerikanern seinerzeit „Raumschiff Enterprise“ war, war SciFi-Fans deutschlandweit „Raumpatrouille Orion“, jene in den Bavaria-Studios bei München ausgetüftelte Weltraumserie um die Abenteuer der Mannschaft von Commander Cliff Allister McLane (alias Dietmar Schönherr), der das Zielpublikum diesseits des großen Teichs ab 1966 über 14 Folgen hinweg den seinerzeit sogenannten Straßenfeger-Status zubilligen mochte. Mitte der 1980er-Jahre gelang einzelnen Folgen dann sogar der Sprung auf die Programmkino-Leinwände; nun also der bild- und tontechnisch überarbeitete "Rückstur„ ins Kino“ – eine Verknappung der alten Fernsehfolgen zum 92-Minüter, ohne dass einem die Raffungen unangenehm auffallen dürften. Höchst erstaunlich: Diese märchenhaft ausgemalte Zukunft, die den Charme der Augsburger Puppenkiste verströmt (mit ihren tricktechnisch lachhaften Einfällen) zündet noch immer. Und dem seinerzeit verbreiteten Alles wird gut-Optimismus würde man auch heutzutage gern zustimmen.
D: Dietmar Schönherr, Eva Pflug, Wolfgang Völz, Claus Holm, Friedrich Georg Beckhaus.


Falling into Place
Deutschland/ GB ´23: R: Aylin Tezel. Ab 14.12. Wertung: ***** Bild: Port au Prince Pictures
In einem Pub auf der Isle of Skye begegnen sie sich das erste Mal: Kira (Tezel), die frisch von ihrem Freund getrennt ist und Ian (Fulton), der zwar eine offene Beziehung führt, sich damit aber im Grunde schon längst nicht mehr wohl fühlt. Man kommt miteinander ins Gespräch und albert ein Weilchen herum. Da sie beide ihr Gegenüber mehr als sympathisch empfinden, wird die Nacht zum Tage gemacht, verlegt man sich alsbald aufs Führen von wesentlich tiefgründigeren Gesprächen. Dennoch können sich Kira und Ian beim Auseinandergehen weder dazu durchringen, Telefonnummern und Adressen auszutauschen, noch wird ein erneutes Treffen ins Auge gefasst. Dabei wäre es schon allein dadurch ein Stück weit unkompliziert händelbar für unsere beiden Mittdreißiger, da sowohl Kira als auch Ian aus London für ein paar Tage auf die Isle of Skye herüber gekommen sind. Erst nach der Rückkehr ins ungeliebte Alltagsleben wird ihnen so richtig bewusst, wie sehr sie sich übers Winterwochenende  zueinander hingezogen fühlten. Werden sie sich jemals wiedersehen?
Melancholie durchwabert die farbentsättigt-frostigen CinemaScope-Bilder von Kameramann Julian Krubasik, der damit die Stimmung in Aylin Tezels Spielfilmregiedebüt hundertprozentig auf den Punkt bringt. Zusätzlich unterstützt durch eine psychologisch akzentuierende Filmmusik gelingt der Regiedebütantin - die auch fürs Drehbuch verantwortlich zeichnet und die Rolle der Kira übernimmt -, ein subtil inszenierter Liebesfilm der anderen Art. Gemeinsam mit ihrem darstellerischen Pendant Chris Fulton alias Ian  protokolliert „Falling into Place“-Multitalent Tezel hinreißend, wie es sich anfühlt, wenn Beziehungen ganz allmählich zerbrechen, während eine neue Liebe denkbar erscheint.
D: Aylin Tezel, Chris Fulton, Alexandra Dowling, Rory Fleck Byrne, Jerry Hoffmann.

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