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Im Schlüterhof17.08.2021



Text: Horst E. Wegener

Sowohl das Open-Air-Kulturprogramm Durchlüften im zentralen Innenhof des Bürgerschlosses als auch die weitläufige Terrasse vor der unterkühlten Raster-Fassade direkt an der Spree haben sich binnen weniger Wochen zu angesagten Treffpunkten für jung und alt, Ostler, Westler, Ortsansässige und Touristen entwickelt. Das ambitionierte Gratis-Programm Durchlüften verwandelt den Schlüterhof derzeit in einen open space: Beträge von Kulturschaffenden  aus der Pop- und Kunstavantgarde treffen hier allwöchentlich auf Community-Projekte und künstlerische Aktionen für die ganze Familie auf ein interdisziplinäres Wochenend-Musikprogramm.
Der gewollte Mix aus alt und neu zieht sich wie ein roter Faden nicht nur durchs Programm:  Wer sich durch einen der à la Hohenzollernschloss barock rekonstruierten Portaldurchgänge gen Innenhöfe treiben lässt, mag bereits nach den ersten paar Schritten überrascht jenen modernen dekonstruktiven Klangexperimenten lauschen, die einen aus schwarz polierten Monolith-Boxen aufs Kommende verheißungsvoll einstimmen. Dies ist kein Schloss, melden die Sinne, aber eine extrem aufwändig gestaltete Attrappe, erwidert die kritische Vernunft.
Nicht wenige Besucher nehmen sich Zeit, um langsam in die klassische Architekturkulisse abzutauchen. Anwalt Thomas Grabig, aus dem unweit gelegenen Büro auf eine mittägliche Atempause herübergekommen, hat sich einen Espresso im Schlüterhofschen Bistro bestellt, den Stuhl in Richtung barockes Ostportal gedreht und beobachtet nun das „schöne Theater“ der staunenden Touristen. „Ich denke“, meint der Anzugträger, „das wird mein neuer Lieblingsort hier.“ Den Corona-Winter über habe er sich durch die verfügbare Schlossliteratur gearbeitet, nun freut der Schlaumeier sich, wenn die in schwarz gekleideten Besucherservice-Mitarbeiter nicht sagen können, warum das Portal an der Ostseite nicht mittig liegt. „Das hängt mit dem Schweizer Saal zusammen, der früher dahinter lag.“ Wissen eben nur die wirklichen Fans. Und Grabig gehört dazu. Mittags sei definitiv nicht die beste Zeit im Hochsommer, um den Schlüterhof lieben zu lernen, doziert der Hohenzollern-Schloss-Kenner weiter. Nachvollziehbar – denn in der brennenden Sonne entwickelt sich das steinerne Geviert, vollversiegelt und ohne einen Tupfer Grün, schnell zum Glutofen. Schön, wenn dann ein Lüftchen durch die Portale weht, egal ob von Süd nach Nord oder von West nach Ost. Abends kommt derzeit sogar italienische Piazza-Stimmung auf, sobald das Licht den hellen Sandstein etwas ins Rötliche changieren lässt.
Wo früher die Hohenzollern Hof hielten, darf jetzt das Volk dinieren und Kultur goutieren. Wer mit anderen staunenden Schlüterhof-Besuchern und Schlossplatz-Passanten ins Gespräch kommt, hört ältere Semester vor allem auf die „Mussolini-Architektur“ an der Ostfassade schimpfen, Ostler  bekunden, dass „der Palast in der DDR schöner war“; kiez-erfahrene Hobbyhistoriker begrüßen das Gebäude als „ein Stück Stadtreparatur“  in Sichtweite von architektonischen Hochhaus-Sünden. Überrascht zeigen sich viele von den „sehr geleckt aussehenden“ Schlossfassaden, so ganz ohne Graffitis.
Im Humboldt-Forum-„Shop“, zwischen Passage und Schlüterhof gelegen, erinnert eine Vitrine mit Szenen der Loveparade an die Tage, als es den Palast der Republik noch gab und der vom Bundestag beschlossene Wiederaufbau des Schlosses heftige Abwehrreaktionen auslöste. Es gibt T-Shirts mit dem Humboldt-Forum als Aufdruck, aber auch welche mit dem Palast der Republik. An der Decke hängen palastartige Kugellampen, es gibt sogar kleine Glassplitter der getönten Palastfenster zu kaufen, gerahmt ab 70 Euro das Stück. Dagegen sind die „Original Berliner Mauer“-Bruchstücke für 15 Euro geradezu ein Schnäppchen.
Als Angebot an die Kultur- und Geschichts-Interessierten sind auch die jetzt nach und nach zugänglichen Ausstellungsbereiche im Humboldt-Forum – angefangen bei den Ausstellungen über die Namensgeber des Komplexes, das historische Schloss hin zu „Berlin Global“, der großen Berlin-Schau - bis einschließlich 13. November 2021 kostenlos zu erkunden. Wie heißt es so schön: Berlin bleibt eine Reise wert!
Zwar lag das Berliner Hohenzollern-Schloss nach dem Zweiten Weltkrieg nur teilweise in Trümmern, war den DDR-Behörden dennoch ein Dorn im Auge. 1950 wurde der Komplex auf der Spreeinsel gesprengt und dort der Palast der Republik hochgezogen. 2002 beschloss der Deutsche Bundestag mit einer fraktionsübergreifenden Mehrheit den Wiederaufbau des Berliner Schlosses als Humboldt-Forum – einem Museums-, Wissens- und Begegnungszentrum. In seinen drei Barockfassaden und mit dem Schlüterhof sollte es wiedererstehen, mit überwiegend neuzeitlich gestaltetem Interieur, so wünschte es sich ein Teil der Abgeordneten. Die anderen wollten die Gestaltung offen lassen. Der DDR-Palast wurde abgerissen. Der Italiener Franco Stella gewann den Architektur-Wettbewerb; ´13 wurde der Grundstein gelegt. Aus 552 Millionen Euro, die ursprünglich bewilligt wurden, wurden bislang 683 Millionen. Für die Rekonstruktion der historischen Fassaden steuerten engagierte Bürger seit ´93 111 Millionen Euro privat bei.
Nähere Infos zu Tickets, Ausstellungen, Open-Air-Programm via www-Link: humboldtforum.org/de.

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