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Wochenzeitung DIABOLO:
Prekär statt fair
Podiumsdiskussion zur Beschäftigungssituation im universitären Mittelbau06.12.2018

<i>Wochenzeitung DIABOLO:</i><br />Prekär statt fair<br />Podiumsdiskussion zur Beschäftigungssituation im universitären Mittelbau

text und foto  |  Christoph Kienemann

Unter dem Hashtag #unbezahlt sammeln derzeit frustrierte WissenschaftlerInnen ihre Erfahrungen aus dem universitären Alltag. Der Nachwuchs arbeitet hier fast ausschließlich in befristeten Arbeitsverträgen, zumeist nicht auf vollen Stellen und an Drittmittelprojekte gebunden. Arbeit in Lehre, Forschung und der universitären Selbstverwaltung lässt sich aber nicht in 20 Stunden pro Woche leisten und wer von Befristung zu Befristung gereicht wird, kann an Familienplanung nicht denken.

Wie lässt sich die Situation der zahlreichen befristet beschäftigten wissenschaftlichen Mitarbeiter an der Universität verbessern? Darüber diskutierten Vertreterinnen der beiden niedersächsischen Regierungsparteien (Hanna Naber (SPD) und Esther Niewerth-Baumann (CDU)) – beide Mitglieder des Landtages –  am 4. Dezember mit Jörg Stahlmann, Vizepräsident für Verwaltung und Finanzen der Universität Oldenburg, Dr. Michael Viertel, Lehrkraft für besondere Aufgaben an der Universität und mit den GewerkschaftsvertreterInnen Sabine Keil (GEW) und Matthias Neis (ver.di). Aber warum stellt sich diese Frage überhaupt? Arbeiten an Universitäten nicht nur hoch qualifizierte Fachkräfte, die aufgrund ihrer Ausbildung gut bezahlte und sichere Arbeitsplätze innehaben? Versteht sich die Bundesrepublik nicht als Bildungsrepublik? Anspruch und Realität klaffen allerdings bei den Arbeitsbedingungen für den Mittelbau an den Unis auseinander. Schon der einführende Vortrag von Maria Keil (TU Darmstadt) zeigte, an deutschen Unis arbeiten 93% des sogenannten Nachwuchses in befristeten Verträgen, davon 83% auf Teilzeitstellen. Unter dem Begriff des „wissenschaftlichen Nachwuchses“ werden dabei all diejenigen zusammengefasst, die nach dem Studienabschluss eine Promotion und später eine Habilitation anstreben, um eine der begehrten Professuren zu erhalten. An deutschen Universitäten gibt es also nur Azubis und Manager, wie Matthias Neis treffend formulierte.
Damit ist die Bundesrepublik im internationalen Vergleich einzigartig. Wie im 19. Jahrhundert besetzen hier Professoren Lehrstühle und beschäftigen dort ein oder zwei wissenschaftliche MitarbeiterInnen. Letztere sind quasi gezwungen, sich selbst für eine Professur zu qualifizieren, auch wenn sie diese Position gar nicht anstreben. Wer sich dann mit Anfang 40 habilitiert hat und keine Professur erhält, für den ist dann oftmals kein Platz mehr an der Uni. „Als würde ein Krankenhaus alle Ärzte entlassen, die es nicht zum Chefarzt gebracht haben“, so Sabine Keil. So gilt im deutschen Wissenschaftsbetrieb immer noch die Beobachtung Max Webers, dass eine wissenschaftliche Karriere nur Hasardeure anstreben.
Aber wo liegen die Ursachen für diese Misere und wie könnte die Situation verbessert werden? Hanna Naber (SPD) machte für die schlechte Situation das Wissenschaftszeitvertragsgesetz verantwortlich, hier gelte es anzusetzen, damit es weniger Befristungen gebe. Anders sah dies Matthias Neis. Der ver.di Vertreter verwies vielmehr auf die Finanzierung der Universitäten. Immer mehr Stellen seien nur noch durch Projekt- oder Drittmittel finanziert, die von den Universitäten eingeworben werden müssen. Wenn das Geld befristet ist, dann könnten auch die Stellen nur befristet sein, so Neis. Der absurde Wettbewerb um Drittmittel müsse gestoppt werden und die Grundfinanzierung der Hochschulen verbessert werden. Dies sah grundsätzlich auch Jörg Stahlmann so, von einem 30 prozentigen Anteil an Drittmitteln sei die Universität inzwischen bei einem 50 prozentigen Anteil an Drittmitteln angelangt. So könnte kein unbefristetes Personal angestellt werden.
Vielleicht bedarf es aber einer grundlegenden Reform des Systems und eines Kulturwandels an den deutschen Universitäten. Letzteres machte Michael Viertel deutlich. Die Lehrkraft für besondere Aufgaben schlug vor, die Struktur des Personals an den Instituten nach dem Vorbild von amerikanischen oder schweizerischen Hochschulen zu verändern und ein breiteres Spektrum an Positionen zu schaffen. „Die Politik könnte zudem Zielvereinbarungen aufstellen und über diese die Anzahl der befristeten Stellen regulieren“, so Viertel. Hier ist jedoch nicht nur die Politik gefragt, sondern die Hochschulen könnten selbst mit gutem Beispiel vorangehen.

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