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Neues aus der Hauptstadt: Berlin in Zeiten der Corona-Krise20.03.2020



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Text: Horst E. Wegener
Foto: Rüdiger Schön

Deutschlandweit dasselbe Bild: Da werden tagtäglich Drogeriemärkte, Supermärkte, Baumärkte abgegrast, drängeln jung und alt dicht an dicht – nix da mit einem Meter Abstand. Und nachdem die vormittägliche Suche nach Toilettenpapier, Desinfektionsmittel, Ingwer, Haferflocken, Latexhandschuhen und Atemschutzmasken hinter einem liegt, bevölkert die halbe Nation die innerstädtischen Parks, wird die Frühlingssonne genossen, gechillt oder zur Privatparty nach Hause eingeladen. Nachdem die Bundesregierung zu Wochenbeginn die Empfehlung ausgesprochen hatte, unter anderem auch Spielplätze im ganzen Land zu schließen, mochte man sich im Berliner Senat ausdrücklich für die Offenhaltung aller Spielplätze aussprechen. Typisch Hauptstadt: Während sich nun mehrere Bezirke wiederum dieser Vorgabe verweigerten, wurde der Empfehlung etwa im Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf gefolgt – woraufhin Lokalpolitiker mittlerweile „Spielplatz-Tourismus“ aus den Nachbarbezirken im gutbürgerlichen Viertel beobachten.Ansonsten scheinen nicht wenige Berliner jenem Umstand, dass die Coronavirus-Maßnahmen der Hauptstadt bislang bis einschließlich 19. April begrenzt sind, zu begegnen, als könnten sie danach ihr altes Leben wieder aufnehmen. Und man tut so, als würde nach Ende der Osterferien alles wieder normal laufen. Beispielsweise die Einstürzenden Neubauten: Am 20. April möchte die Band um Blixa Bargeld live im Konzerthaus am Gendarmenmarkt auftreten, ihr Veranstalter hat dafür Mitte dieser Woche noch einmal Werbung verschickt. Bei Licht betrachtet erscheint es allerdings kaum realistisch, mit diesem Berlintermin den Auftakt einer Tournee einläuten zu wollen, um das neue Album „Alles in Allem“ aller Welt vorzustellen. Dabei sind Blixa Bargeld und Co längst nicht die einzigen Hauptstädter, die das vom Senat gewählte Datum für sich arg selbstbetrügerisch einstufen: Eine Bekannte meint dieser Tage, es lohne sich nicht, jetzt das Abo fürs Fitnessstudio zu kündigen, nach den Osterferien öffne es doch eh wieder. Ein Freund fragt sich, ob es für einen durchschnittlich aufnahmefähigen Senior wohl möglich sei, in den verbleibenden vier Wochen eine neue Sprache zu erlernen. Fast scheint es, als sei das vom Senat gewählte Datum für manche Berliner eine willkommene Fata Morgana: etwas, von dem man ahnt, dass dann nicht alles wieder gut ist, das aber kurzfristig doch hilft, bis zum 20. April durchzuhalten. Dabei kommen uns zu diesem Datum eher rabenschwarze Assoziationen in den Sinn: Angefangen bei Hitlers Geburtstag über den Amoklauf an der Columbine High School, hin zur Explosion auf der Ölplattform Deepwater Horizon; seit einiger Zeit ist´s übrigens auch der „internationale Kiffertag“. Nachfrage beim Deutschen Hanfverband, ob man wie in den Vorjahren in Berlin zum Gruppenkiffen im Görlitzer Park aufrufe. Ein Sprecher verneint. Meint, dass ein Smoke-Inn in diesen Zeiten am 20.4. unverantwortlich wäre, die Gesundheit gehe schließlich vor. Vorbildlich gedacht!

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