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Der Teufelsberg - Berlin berühmtester Lost Place29.03.2022



In nahezu jeder Stadt finden wir aufgegebene Grundstücke, Ruinen, ungenutzte Orte - Lost Places genannt. Mitunter fordern uns diese zum Erkunden des Areals geradezu heraus. Was einem aber zumeist durch Absperrungen und Securities verwehrt wird – eine oftmals berechtigte Maßnahme, da man das Risiko eines Unfalls nicht unterschätzen sollte. Immerhin darf einer der berühmtesten Lost Places in Berlin ganz offiziell besucht werden: der Teufelsberg oder genauer gesagt das Ensemble der einstigen Abhörstation, das auf dem rund 120 Meter hohen Trümmerberg im Grunewald thront.
Wer sich an den Aufstieg zum aufgegebenen Lauschposten der Alliierten vom S-Bahnhof Heerstraße her per Pedes macht, kann während eines gut halbstündigen Marschs durch den sturmgeschädigten Wald unter der von Regengüssen freigespülten Erde hier und da mittlerweile wieder Schutt erspähen, den man nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges aus der gesamten Stadt auf Lastwagen herankarrte, um aus dem zerbombten Berlin im Naturschutzgebiet Grunewald gut 26 Millionen Kubikmeter Trümmer zur Erhebung Teufelsberg aufzutürmen. Diese lange Zeit höchste Erhebung der Stadt überdeckt zudem eins von Hitlers Lieblingsprojekten, die Wehrtechnische Fakultät. Dort sollte Krieg zur deutschen Ingenieurskunst werden, betrieben von einer führertreuen jungen Generation. Bei Zusammenbruch des Naziregimes stand nurmehr der Rohbau, ließ sich wie viele andere monströse Nazi-Anlagen in der einstigen Reichshauptstadt nicht sprengen. Also kamen die Alliierten überein, das Gebäude zum Fundament eines Trümmerberges umzuwidmen. Und es strategisch zu nutzen. Ab 1957 errichteten die Amerikaner und Briten hier eine Abhörstation, Field Station Berlin genannt. Inmitten des sowjetischen Einflussgebietes gelegen, galt die Abhöreinrichtung als wichtiger Horchposten des Westens. Auch wenn die Türme und Kuppeln für Radar und Parabolantennen auf der Spitze des Teufelsberges weithin sichtbar sind: Was hier im Verborgenen passierte unterlag strengster Geheimhaltung. Bis wohin reichten die Antennen, die sich unter den bespannten Kuppeln drehten? „Wir können Breschnjews elektrische Zahnbürste hören“, lautete eine Antwort des US-Lauschpostens. 1000 Soldaten, Dreischichtbetrieb; nach Abzug der Alliierten drehten sich die Antennen noch eine kurze Zeit für die zivile Luftfahrt, dann fiel das militärische Sperrgebiet zurück an die Stadt.
Das wiedervereinigte Berlin war klamm – und so verkaufte man das Areal 1996 an die Investorengemeinschaft Teufelsberg Berlin (IGTB). Ursprünglich sollte das Areal mit Luxus-Lofts und einem Büro bebaut werden. Dagegen lief eine Bürgerinitiative Sturm, der Senat entwidmete die Fläche und das Vorhaben platzte.
Derzeit kümmert sich die MSM Management GmbH als Pächter um das Tagesgeschäft. „Wir organisieren und finanzieren Kunstprojekte, halten das Gelände sauber und sorgen für die Sicherheit der Besucher“, erklärt MSM-Geschäftsführer Marvin Schütte. Ein bisschen Geschichtsnachhilfe gibt es neuerdings kurz hinterm Eingangstor: In den Räumen des ehemaligen Zentrallagers der Abhörstation haben Mitglieder des Vereins „Alliierte in Berlin“ ein Domizil gefunden, nachdem sie am Flughafen Tegel weichen mussten. Neben Militärfahrzeugen können sich Interessierte vom Vereinsvorsitzenden Matthias Hirnigel eine Fülle von Exponaten und Dokumentationen rund um Mauerbau und Berliner Luftbrücke näher bringen lassen.
Weiter geht´s: Man kann auf dem riesigen Areal die mittlerweile größte Streetart-Ausstellung Europas erkunden. Egal, ob außen an den Fassaden oder an den Wänden im Inneren der verwaisten Hallen: Hier durften sich Künstler aus aller Welt ausleben. Da Gelände und sämtliche Gebäude unter Denkmalschutz stehen, ist´s den ehrenamtlichen Teufelsberg-Fans um Marvin Schütte ebenfalls zu verdanken, dass Besucher über eine Außentreppe bis in die oberen Stockwerke der Haupthalle steigen können. Ganz oben auf dem Dach anzukommen, ist unbeschreiblich: Zwischen den teilweise zerfetzten Planen der gigantischen Antennenkuppeln sich einen Rundumblick über die Stadt zu gönnen, erzeugt ein Berlingefühl von viel Untergang mit einem Hauch von Freiheit. Unbezahlbar!

Text und Fotos: Horst E. Wegener

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