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„Die Selbstgerechten“ von Sahra Wagenknecht29.06.2021



Interview und Foto: Thea Drexhage

So sei es zwar gelungen, den Multi Unilever zur Umbenennung seiner „Zigeunersauce“ in „Paprikasauce ungarischer Art“ zu zwingen, habe aber stillschweigend hingenommen, dass die Mitarbeiter mit der Drohung der Werksschließung in Heilbronn einem verschlechterten Tarifvertrag zugestimmt haben. Die Diversity-Politik überlagere die realen sozialen Verhältnisse breiter Schichten und versäume es, sich dieser Probleme anzunehmen. So führe die Frauenquote in Vorständen und Aufsichtsräten großer Unternehmen zwar zu Vorteilen einer Gruppe von Wohlhabenden, aber nicht zur Verbesserung der Arbeitsverhältnisse von Frauen in den unteren Etagen der Unternehmen. Die streitbare Linke nennt es „Moral ohne Mitgefühl“. Diese Entwicklung, auch in anderen Ländern, habe zum Niedergang der „Linken“ und dem Auftrieb für rechte Bewegungen beigetragen. Wagenknechts Analyse sieht im Lobbyismus und dem ausufernden Beraterunwesen den Grund für die schleichende Verschlechterung der Lebensbedingungen vieler Menschen. Ein streitbares Buch – man sollte es gelesen haben.


MoX: Wie haben Sie das Buch gelesen?
Jochen Gerdes: Ich habe das Buch analog gelesen. Als ich davon gehört habe habe ich es direkt gekauft, da ich durchaus beobachte, welche Politik Sahra Wagenknecht macht. Ich habe das nicht in einem Stück gelesen, sondern dann immer mal wieder, aber es ist gut zu lesen.

MoX: Was hat Ihnen besonders gut gefallen?
Jochen Gerdes: Sie benennt Themen, die ich selbst so sehe. Ich habe nicht in allen Punkten die gleiche Auffassung wie sie, aber ich denke, die Punkte, die sie aufgreift, sind richtig. In der Konsequenz, wie sie diese bezeichnet, würde ich nicht so weit gehen.

MoX: Wem würden die das Buch empfehlen?
Jochen Gerdes: Jedem Menschen, der sich politisch interessiert, aber auch den Menschen, die nur am Rande politisch interessiert sind, denn sie benennt die Gründe, warum es vielen Menschen bei uns im Lande schlecht geht. Daran ist schuld der Einfluss der Lobbyisten, der Einfluss der Berater und der immer schwächer werdende Staat. Diesen haben wir ausgedünnt in den Verwaltungen und dafür Geschäftsleute reingeholt, was dazu geführt hat, dass die Unternehmen ihre Gesetze selbst geschrieben haben.

MoX: Was wissen Sie über die Autorin?
Jochen Gerdes: Ziemlich viel. Aktuell ist sie natürlich sehr umstritten. Ich vermute, dass sie das Buch mit Absicht kurz vorm linken Parteitag veröffentlicht hat. Ich habe den Eindruck, dass sie mit ihrer Bewegung „Aufstehen“ gescheitert ist, ähnlich wie Jürgen Todenhöfer mit seinem „Team Todenhöfer“. IN gewisser Hinsicht ist sie eine Spalterin, vermutlich auch mit Absicht. Sie ist sehr kompetent und vermutlich total genervt von den Grabenkriegen in ihrer eigenen Partei und hatte lange mit Burn-Out zu kämpfen.


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