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MoX - Veranstaltungsjournal
„Kassandra“ von Christa Wolf
Vorgestellt von Thomas Renner, Requisiteur und Theaterpädagoge06.12.2018

<i>MoX - Veranstaltungsjournal</i><br />„Kassandra“ von Christa Wolf<br />Vorgestellt von Thomas Renner, Requisiteur und Theaterpädagoge

MoX: Wovon handelt das Buch?
Thomas Renner: Im Fokus steht die Figur der Kassandra, deren eigene Geschichte eng mit dem Trojanischen Krieg verbunden ist. Sie besitzt die Gabe des Vorhersehens, die für sie Fluch und Segen zugleich darstellt, denn mit ihren Voraussagen stößt sie zumeist auf Unglauben seitens ihrer Zuhörerschaft. Die Handlung setzt sich dort in Gang, wo Kassandra von Agamemnon entführt und verschleppt wird. Jedoch finden wir hier keine stringente Erzählung vor: Es folgen sowohl Episoden aus Kassandras Kindheit und Jugend, Rekonstruktionen des Krieges als auch eine Vorausschau auf die kommenden Ereignisse. Diese Episoden vermischen sich sehr stark miteinander und die Autorin springt zwischen ihnen vehement hin und her. Christa Wolf arbeitet damit ihre eigene Version der Geschehnisse des Trojanischen Krieges auf. Vor allem betont sie das Weibliche in der Geschichte. Für gewöhnlich wird sich der Mythen immer dann bedient, wenn man einen Urtypus kreieren möchte. Die Autorin verdeutlicht anhand des Trojanischen Krieges den Irrsinn jeglicher Kriege, in denen die Männer oftmals die Schuld- und die Frauen die Leidtragenden sind. Tatsächlich taucht in der Erzählung auch kaum eine positiv dargestellte Männerfigur auf, sie alle besitzen einen entscheidenden Makel. Kassandra kann durchaus als feministisches Buch verstanden werden, da es neben der titelgebenden Hauptfigur viele weitere starke Frauenfiguren gibt.
MoX: Wie haben Sie das Buch gelesen?
Thomas Renner: Tatsächlich bin ich zuerst auf eine Hörbuchbearbeitung von „Kassandra“ gestoßen. Der Text blieb in meinem Kopf haften und nach einiger Zeit habe ich dann zu dem Buch in Papierform gegriffen.
MoX: Was hat Ihnen besonders gut an dem Buch gefallen?
Thomas Renner: Normalerweise wird Troja als Feind hingestellt und die Griechen gehen als die Heroen hervor. In Kassandra werden diese Konstellationen neu arrangiert, wobei keine der beiden Parteien ein eindeutiges Recht zusteht. Der Fokus liegt vor allem auf der starken Figur der Kassandra, die weiß, was passieren wird und die trotz aller Rückschläge an Stärke gewinnt. Diese Herangehensweise der Autorin fand ich sehr spannend. Grundsätzlich übt der griechische Mythos einen gewissen Reiz auf mich aus und die Neuinterpretationen solcher Stoffe finde ich ungemein interessant. Man kann aber auch einfach in die Schönheit der Sprache eintauchen, die bildreiche Sprache in Kassandra bietet das an.
MoX: Wem würden Sie das Buch empfehlen?
Thomas Renner: Tendenziell würde ich es allen empfehlen, denen es so geht wie mir, die es also spannend finden, sich mit klassischen Stoffen in neuem Gewand auseinanderzusetzen. Man könnte auch sagen, es sei allen Fans des Remakes ans Herz gelegt. Aber auch jedem, der sich für starke Frauenfiguren respektive für die Gleichstellung der Geschlechter interessiert und dafür ebenso plädiert. Immerhin bedient sich das Buch, das 1983 erschien, Themen und Figuren, die  heutzutage wieder eine wichtige Relevanz einnehmen. Es mag auch für diejenigen empfehlenswert  sein, die sich einfach an der schönen Sprache erfreuen mögen.
MoX: Was wissen Sie über die Autorin?
Thomas Renner: Christa Wolf las die Orestie von Aischylos und entwickelte ein besonderes Faible für die Figur der Kassandra. Weder in der Orestie noch in anderen mythologischen Sagen wird die Vielschichtigkeit der Seherin Kassandra genau ausdifferenziert. Christa Wolf stellt sie zum ersten Mal als dreidimensionale Figur dar. Die Autorin schrieb die Erzählung aber auch im politischen Kontext der DDR, um deren System kritisch zu hinterfragen.

Text und Foto: Dana Hubrich

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