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Wochenzeitung DIABOLO:
Neues aus der Provinz
Thomas Klupp im Wilhelm1308.11.2018

<i>Wochenzeitung DIABOLO:</i><br />Neues aus der Provinz<br />Thomas Klupp im Wilhelm13

text  |  Horst E. Wegener

Schon mal was von Weiden gehört, jenem 40 000-Seelen-Nest in der nördlichen Oberpfalz, Spitzname Bayerisch-Sibirien? Durch die literarische Brille betrachtet, hat der 1977 in Erlangen geborene Schriftsteller Thomas Klupp diesem Provinzkaff einst seinen Debütroman „Paradiso“ gewidmet.

2009 war das. Woraufhin Werk und Schöpfer sowohl von den Lesern als auch von der Kritik reichlich Lob ernten durften – „Klupp versteht sein Handwerk“ attestierte etwa Die Zeit. Dennoch sollten fast zehn Jahre ins Land gehen, in denen einerseits der Absolvent des Studiums Kreatives Schreiben an der Uni Hildesheim dortselbst den Sprung vom Lernenden zum Lehrenden meisterte, bevor sich der frischgebackene Dozent andererseits wieder mit einem Roman im literarischen Rampenlicht zurückmelden mochte. Der Titel heißt reichlich kryptisch nebst umständlich „Wie ich fälschte, log und Gutes tat“, lässt sich aber nach der Lektüre des 256-Seiters ähnlich unterhaltsam, witzig und gut beobachtet wie „Paradiso“ beurteilen. Erneut ist der Roman im Städtchen Weiden angesiedelt, in diesem Kaff, das „so spektakulär wie ein Taubenschiss“ von Klupps jugendlichem Icherzähler empfunden wird. Benedikt Jäger, besagter Icherzähler, hat gerade einmal 15, 16 Jahre auf dem Buckel, er geht in die 10. Klasse eines Gymnasiums und führt ein scheinbar unspektakuläres Teenager-Leben. Wohnt bei seinen Eltern – Vater Chefarzt, Mutter Chefarztfrau. Als notorischer Faulpelz tut sich der Junior an der Schule in puncto Büffeln schwer, spielt „Dschägga“ wie er von seinen Kumpels genannt wird, lieber Tennis, ist dem Abhängen, Saufen, Kiffen und dem jungfräulichen Fantasieren übers erste Mal zugetan.  Mehr noch: Der Tagträumer gefällt sich sichtlich in der Rolle des Lügners, Betrügers und Fälschers. Noch jede seiner Klassenarbeiten wird vom Dschägga nachbearbeitet, Unterschrift der Eltern, Note, Lehrerbemerkungen inklusive. Nicht dass sich der Youngster schuldig fühlen würde. Ganz Weiden übt sich ja ebenfalls im Faken und Blenden von Beziehungen, Stimmungen, Fakten, Biografien.
Die Provinz nahe der tschechischen Grenze, in der sich Fuchs und Hase gute Nacht sagen, scheint sich nur als Fake ertragen zu lassen – und so wie Benedikt Jäger drauf aus ist, all seine Erlebnisse im Jugendsprech auf Pointen hin abzuklopfen, so gelingt es Klupp, die Hölle der Provinz über vier Monate hinweg zu portraitieren. Und was passiert da nicht alles: Der Dschägga und seine dem Marihuana zusprechenden Kumpels machen bei einer Antidrogen-Kampagne mit und sind überall in der Stadt auf Plakaten zu sehen auf denen steht: „Geh ans Limit! Ohne Speed!“ Zudem muss Benedikt sich neben seiner ätzenden Familie mit der Schulleiterin und einem ihm übelwollenden Mathelehrer herumschlagen.
Zu einem der Höhepunkte des Romans baut Klupp ein Tennismatch zwischen den Weidenern und den Grafenwöhrern aus, die sich als wahre Meister im Tricksen und unfair Spielen versuchen – bis hin zur finalen Prügelei. Wenn sich der Schriftsteller bei kurzen Sätzen das Verb spart, erinnert dieser Dschägga-Jargon an die „Brenner“-Krimis des Österreichers Wolfgang Haas. Dabei schafft es Klupp, das schnoddrige Rhabarbern in spätpubertierenden Hirnen sprachlich so abzubilden, dass es auch auf Ältere glaubhaft wirkt. „Wie ich fälschte…“ ähnelt gleichsam einer deutschen Antwort auf J.D. Salingers Kultjugendroman „Der Fänger im Roggen“ oder einer oberpfälzischen „Tschick“-Variante, liest sich flott und unterhaltsam – wobei uns beim Lesen immerzu Bilder einer späteren Verfilmung überfluten, die es ja noch gar nicht gibt. Aber was noch nicht ist…

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