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„Ich bin die Frau, die die Mütter bemuttert“09.03.2021



Bei dem Berufsbild der Hebamme denken die meisten vermutlich al erstes an die Arbeit mit niedlichen Babies und glücklichen Familien. Ein Bild, dass in der Realität doch etwas anders aussieht. Christine Röskamm ist seit etwa 10 Jahren in diesem Beruf tätig und bereut diesen Weg keine einzige Sekunde. Dennoch möchte sie klar machen, dass es nicht in erster Linie um das Baby geht, sondern um die werdende Mutter. Schon immer wusste sie, dass sie in einem Beruf mit Menschen arbeiten möchte. Nachdem ein Schulpraktikum in der Pathologie nicht geklappt hat, verschlug es die Hamburgerin in einen Kreißsaal, wo sie schnell erkannte, dass sie Hebamme werden möchte. Nur die Ausbildungsstellen waren knapp. So klappte es mit der Ausbildung erst nach einem abgeschlossenen Studium der Ökotrophologie.
Das ist nun 10 Jahre her und der Beruf der 36-jährigen befindet sich seither immer im Wandel, daher ist Stillstand für Christine Röskamm keine Option. „Man sieht ja alles als Hebamme. Wir lernen auch mit schwierigen Situationen umzugehen. Supervision ist sehr wichtig. Sich selbst immer wieder zu hinterfragen, Fortbildungen machen und in Gespräche zu gehen, um seine eigenen Triggerpunkte kennenzulernen. Ich habe gerade wieder eine Hebammenschülerin die mich begleitet, der ich neben all der Praxis auch versuche mitzugeben, wie sie das Berufsleben für sich spannend und gut gestalten kann. Es geht darum, den Frauen immer wieder neu zu begegnen, die verändern sich auch. Nach meiner Rückkehr aus der Elternzeit hat sich z.B. durch Instagram und Co. Viel geändert. Die Frauen sind viel im Außen. Es ist wichtig, dass sie direkt nach einem positiven Schwangerschaftstest zu einer Hebamme gehen, die sie zurück ins Innere bringen, denn da wächst ja ein Mensch.“ Auch der Ausbildungsweg selbst hat sich geändert. Aus der dreijährigen Ausbildung wurde vor wenigen Jahren ein neuer Studiengang. „Ich denke der Beruf ist nicht aus der Mode. Gerade jetzt durch das Studium werden so viele Hebammen wie lange nicht mehr ausgebildet, das gab es so zuletzt glaube ich in den 80ern.  Da kommt eine neue gute, tough aufgestellte Welle neuer Frauen. Das wird ein ganz neuer Typ Hebamme. Wir müssen raus aus dieser Ökoecke mit Räucherstäbchen. Das kann man zwar alles machen, aber das ersetzt nicht den anatomisch naturwissenschaftlichen medizinischen Ansatz.“, erklärt Röskamm.
Etwa 35 bis 50 Frauen und Familien begleitet sie als Hebamme im Jahr. Als wichtigsten Punkt nennt Christine Röskamm bei dieser Betreuung die Prävention. Natürlich begleitet sie frisch gebackene Mütter bis zu 12 Wochen nach der Geburt, aber Vorbereitung und Vorsorge ist für sie das A&O. „Das gute Stillen fängt in der Schwangerschaft an. Wenn man das vorbereitet haben und auch den Vater mit an Bord haben, ist alles viel einfacher. Am schönsten finde ich zu sehen, wie Frauen, die am Anfang der Schwangerschaft ganz unsicher und außerhalb ihrer selbst sind, selbstbestimmt ihr Kind bekommen. Diesen Wandel immer wieder zu sehen in jeder einzelnen Frau, das ist das, was mich antreibt.“
Das letzte Jahr gestaltete sich in vielerlei Hinsicht auch für Hebammen schwieriger. Neben zahlreichen Coronatests und teilweise unmöglich einhaltbaren Abstandsvorschriften gestaltete sich für die alleinerziehende Mutter auch der Spagat zwischen Job und Familie schwieriger. „Es ist sehr schwer geworden allen gerecht zu werden. Meine Große wurde frisch eingeschult und ist im Wechselunterricht. Ich gebe die Kinder nur so viel ab, wie ich wirklich muss. Das ist als selbstständige Frau nicht einfach. Gleichzeitig ist meine Klientel viel bedürftiger geworden. Viele sind seit einem Jahr zuhause. Freunde und Peer Groups fallen wegen der Beschränkungen weg. Die Babygruppen sind ja nicht für die Babies sondern die Mütter. Da geht ganz viel an Austausch und Interaktion verloren. Klar stehe ich auch als Hebamme für solche Themen zur Verfügung, aber es wird eben immer mehr.“
Was Christine Röskamm besonders bei dieser Aufgabe hilft, ist die eigene Mutterschaft. „Mich hat das Mutter sein sehr beeindruckt. Natürlich ist es nicht so, dass eine Hebamme dann besser ist, wenn sie selbst Mutter ist. Aber ich glaube, dass mich das Muttersein sehr auf den Boden zurückgeholt hat. Man muss fast Mutter sein, um zu verstehen, wie sehr Mutter sein, schwanger zu werden, gebären, stillen und all die Kriesen, die damit einhergehen, eine Frau verändern. Das ist wie eine Initiation gewesen. Und ich war davor schon Hebamme. Ich glaube auch eine gute. Aber seitdem finde ich den Beruf noch viel erfüllender.“
Text und Foto: Thea Drexhage


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