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11 Fragen an … Lioba Müller I Serie: Künstler von Hier08.10.2020

11 Fragen an … Lioba Müller I Serie: Künstler von Hier

Text und Foto  |  Karin Eickenberg

Island. Irgendwo im Nirgendwo. Direkt am Wegesrand, mitten im Schnee, ein Waschbecken. Und eine Dusche, aus der ununterbrochen heißes Wasser fließt. - Eines von unzähligen skurrilen, überraschenden, berührenden oder kunstvollen Motiven, die Lioba Müller mit ihrer Fotokamera ins Bild setzt. Nichts ist inszeniert, keine Szene nachträglich am Computer manipuliert. Es ist der aufmerksame Blick, der gerade auch im Unscheinbaren Stoff für ganze Fotoserien liefert. Und – ganz wichtig – ein gut gewählter Bildausschnitt, mit dem die Künstlerin ihre Aussage trifft. Ganz besonders reizt es sie, das Flüchtige, Bewegte festzuhalten. Die Fotografie bietet sich dafür als ideales Medium an, denn „sie ist der kürzeste Weg vom Auge zum Bild.“ Lioba Müller ist 1956 in Mainz geboren. In Bonn studierte sie Englisch, Kunst und Erziehungswissenschaften. Schon damals arbeitete sie im eigenen Schwarz-Weiß-Labor. Den entscheidenden Impuls, ihre Leidenschaft zu professionalisieren, bekam sie jedoch erst viel später in Oldenburg. Dort nahm sie 2009 im „Jahr der Wissenschaft“ an einer Ausstellung zum Thema Medizinkunst teil. Müller überzeugte mit ihren Fotos und wurde prompt in den Bund Bildender Künstler aufgenommen. Seitdem ist sie als freie Kreative unterwegs. Zudem engagiert sie sich im BBK seit 2013 als Ausstellungsleiterin – „das tollste Ehrenamt, das ich je hatte“, so die Künstlerin.
 
DIABOLO: Was hat Sie zur Fotografie gebracht?
Müller:  Zur Kommunion bekam ich meine erste eigene Kamera. Mit externem Belichtungsmesser. So ging‘s los. Als Teenager probierte ich mich in der Bildenden Kunst auf vielfältige Weise und landete doch meistens wieder bei der Fotografie. Dann in der eigenen Dunkelkammer, wo ich mit Belichtungen, Schärfen und Formaten experimentierte. Erste eigene Ausstellungen bestärkten mich, dass Fotografie mein Medium ist und regelmäßige Museums- und Galeriebesuche waren immer mehr Rezeption und Anregung für eigene Entwicklungen, als bloßer Kunstkonsum.
DIABOLO: Was möchten Sie mit Ihrer Kunst bewirken?
Müller: “I really believe there are things nobody would see if I didn‘t photograph them.“ In diesem Satz der Fotografin Diane Arbus finde ich meine Intentionen wunderbar gebündelt. Fotografie bedeutet für mich die faszinierende Möglichkeit, ganz besondere Aspekte und Ausschnitte von der Welt festzuhalten und auf Details aufmerksam zu machen, die von den meisten Menschen so nicht oder gar nicht wahrgenommen werden – die Stilllebendigkeit der kleinen und großen Dinge und der Menschen um mich herum.
DIABOLO: Mit welchen Themen setzen Sie sich auseinander?
Müller: Ich versuche, Menschen in Momenten ihres Alleinseins, ihrer Versunkenheit festzuhalten und ebenso Menschen, die miteinander kommunizieren. In Augenblicken, die etwas über die Art der Beziehung aussagen. Mal zeigen meine Fotos ein ganz individuelles, persönliches, intimes Beziehungsmoment und mal eine Facette, die sich fast archetypisch zwischenmenschlich in nahezu allen Kulturen findet. Ich fotografiere Dinge, manchmal klein und unscheinbar; Dinge, die schon mal bessere Tage gesehen haben und die deshalb oder trotzdem eine eigentümliche Poesie ausstrahlen; Dinge, die nur in DEM Moment sichtbar sind. Weiterhin wähle ich mit der Kamera Segmente von Räumen, die – von Menschen geschaffen – Strukturen aufzeigen, die mir bemerkenswert erscheinen. Bemerkenswert durch ihre Schönheit, durch ihre Struktur und – vielleicht am liebsten – bemerkenswert durch ihr Von-den-meisten-unbemerkt-bleiben. Darüber hinaus mache ich Bilder von Orten, die – fast der Natur überlassen – wortlos erklären oder würdigen, wo, warum und zu welcher Zeit ein menschlicher „Fußabdruck“ dort kaum hinterlassen wurde, beziehungsweise wird.
DIABOLO: Wo und wie arbeiten Sie?
Müller:  Überall. Wirklich überall. Weil es überall Interessantes zu entdecken und für mich fotografisch festzuhalten gibt. Das für mich Bemerkenswerte erscheint bei der Wahrnehmung meiner Umwelt schon als Ausschnitt. Diesen Raum, groß oder klein, kann ich oft auf den ersten Blick als lohnenswert definieren. Oben, unten, rechts und links davon würden auf dem Foto nur vom Wesentlichen ablenken, wären sie auch zu sehen.
DIABOLO: Ihre kreative Eigen-Art?
Müller: Mich interessieren Momente, die vergänglich sind, Momente in Bewegung. Ich inszeniere nicht, ich entdecke. Liebend gern versuche ich mit meinen Motiven den Witz, der oft in täglichen Situationen steckt, zu zeigen. Attraktiv sind nicht nur „lost places“....  
DIABOLO: Ein Höhepunkt in Ihrer bisherigen Arbeit?
Müller: Tja...es gibt eigentlich nicht DEN Höhepunkt meiner künstlerischen Biografie. Ausstellungen und Ausstellungsbeteiligungen sind immer Höhepunkte. Genau wie positive Rückmeldungen.
DIABOLO: Ein aktuelles Projekt?
Müller: Die meisten meiner fotografischen Projekte laufen kontinuierlich immer weiter. Mein ganz aktuelles Projekt ist es, Antworten auf die Fragen der Serie „Künstler von Hier“ zu finden und zu formulieren. Eindeutig auch ein kreatives Projekt.
DIABOLO: Wo ist Ihre Kunst zu sehen?
Müller: Momentan in der BBK-Galerie in der Peterstraße, in der Ausstellung „minimal“. Ab 11. Oktober an Plakatwänden oder Litfasssäulen im Rahmen des Projekts „Kunst statt Kommerz“.
DIABOLO: Was bedeutet Erfolg für Sie?
Müller: Gesteckte Ziele zu erreichen, die Komfortzone verlassen und Herausforderungen angenommen zu haben, Momente von EU-Stress zu durchleben und am Ende zu sehen, dass es gut war. Dass es gut war, den Mut und die Energie für Neues aufgebracht zu haben.
DIABOLO: Wie lebt es sich als Künstler in Oldenburg?
Müller:  Hervorragend. Es gibt viele nette Künstler-Kolleginnen und Kollegen, viele inspirierende Kunstorte, einen großen Himmel und weite Sichtachsen.
DIABOLO: Ein Wunsch, ein Plan, eine Vision?
Müller: Künstlerisch noch lange mit offenen Augen und Ohren, einer guten Kamera, vielen wertvollen Momenten und schönen Begegnungen weiterzuarbeiten. Visionen...hmmm...die schwierigste Frage. Meistens gewinnen der Pragmatismus und die vielen inspirierenden Gelegenheiten, die mir über den Weg laufen, die Oberhand vor der Entwicklung einer Vision und dem Streben, sie umzusetzen.

Kontakt: www.liobamueller.de

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