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Filme im Kino

MoX Kino-Tipps KW1005.03.2025













Texte: Horst E. Wegener


Für immer hier
Brasilien/Frankreich ´24: R: Walter Salles. Ab 13.3. Wertung: ***** Bild: Alile Onawale


In Brasilien anno 1971 herrscht Militärdiktatur, was dem ehemaligen Kongressabgeordneten Rubens Paiva (Mello) verstärkt den Schlaf raubt. Immerhin hat er sich in seiner aktiven Zeit mit lauthals geäußerter Kritik an den politischen Entwicklungen im Land nie groß zurückgehalten – ganz im Gegenteil zu seiner Frau Eunice (Torres), der es vor allem um das Wohlergehen ihrer Familie mit den fünf Kindern geht. Während sie bemüht ist, es ihren Lieben im Haus am Strand auch in diesen finsteren Zeiten möglichst gut gehen zu lassen, endet die scheinbare Idylle jäh mit einem Besuch der Militärpolizei, die das Familienoberhaupt vorgeblich zu einer Aussage bei den Behörden eskortieren wollen. Wenig später werden auch Rubens Frau und eine der Töchter mitgenommen, verhört – im Fall von Eunice Paiva ziehen sich die Befragungen über zwölf Tage hin. Zwar kommen Mutter und Tochter wieder frei, doch das Familienoberhaupt bleibt verschwunden. Für die bis dahin unpolitische Frau Anlass, künftig alles daran zu setzen, ihren Mann aufzuspüren. Zudem kümmert sich Eunice um die restliche Familie, bildet sich zur Aktivistin und Menschenrechtsanwältin fort – und tritt für die Rechte von Tausenden unschuldiger Bürger ein, die vom Regime verhaftet oder entführt wurden. Soweit es den verschollenen Ruben Paiva angeht, erhält seine Frau erst 1996 mit der Überreichung seines Totenscheins Gewissheit, dass ihr Mann zu den sogenannten „Desaparecidos“ gehört, jenen Unschuldigen, die in der Haft gefoltert und ermordet wurden.
Walter Salles bewegendes Politdrama „Für immer hier“ beruht auf den Memoiren von Marcelo Rubens Paiva, der als Jugendlicher die Entführung seines Vaters mit ansehen musste. Mit Fokus auf dessen Mutter Eunice Paiva fächert die Regie zunächst das harmonische Zusammenleben der Familie auf, in die dann umso schmerzhafter der Terror des Regimes einbricht. Alsdann konzentriert man sich auf die Politisierung und den Kampf Eunices gegen die Verbrechen der Militärdiktatur, beleuchtet ihren Mut, politischer Gewalt die Stirn zu bieten und stoisch für demokratische Werte einzutreten. Ganze sieben Jahre arbeitete Filmer Salles an der Umsetzung von „Für immer hier“ – ein Herzensprojekt aus zweifacher Sicht: Zum einen kennt der Regisseur die Paivas persönlich, war in der Jugend mit den Kindern befreundet; zum anderen fiel in die Vorbereitungsphase zur Verfilmung die Bolsonaro-Ära von 2019 bis ´22, die Salles in der Verfolgung Andersdenkender stark an die Diktaturzeit in den 1970ern erinnerte. Fesselnd.
D: Fernanda Torres, Selton Mello, Fernanda Montenegro, Valentina Herszaga, Luiza Kosovski.




Das kostbarste aller Güter
Frankreich/ Belgien ´24: R: Michel Hazanavicius. Ab 6.3. Wertung: **** Bild: StudioCanal


Im Güterbahnwaggon, auf dem Weg nach Auschwitz, kommt einer der deportierten jüdischen Familienvorstände zur Entscheidung, dass man dem eigenen Nachwuchs die Ankunft im Lager wohl besser ersparen sollte – und in seiner Verzweiflung wirft er eins seiner Zwillingskinder aus dem Zug. Dort wird das Baby von der Frau eines polnischen Holzfällers im Schnee bei den Gleisen gefunden – und da die Alte sich schon lange eigenen Nachwuchs wünscht, nimmt sie es mit nach Hause. Ihr Mann ist von dem jüdischen Findelkind wenig begeistert. Verbannt Frau und Baby zunächst in den Schuppen, bevor er im kommenden Frühling endlich auch sein Herz für das Mädchen entdeckt. Problematisch wird es erst, als die Arbeitskollegen des Holzhackers Wind von der Kleinen bekommen – immerhin definieren diese Mannsbilder sich als beinharte Patrioten.
Zeichentrickfilmer Michel Hazanavicius versteht sich bestens drauf, seine Romanverfilmung mit von Hand gezeichneten Bildern und namenlosen Figuren zu einer fast schon märchenhaft anmutenden Geschichte auszubauen, die dem Holocaust bedingungslose Liebe gegenüberstellt. Die Botschaft: Behandelt Menschen menschlich kommt dabei stets glaubwürdig, herzergreifend und anrührend rüber. Sehenswert!
Zeichentrickfilm




Mickey 17
USA/ Südkorea ´24: R: Bong Joon Ho. Ab 6.3. Wertung: **** Bild: Warner Bros. Entertainment


Die Erde in naher Zukunft: Mickey Barnes (Pattinson) ist auf der Flucht vor einem Verbrecherboss, mit dem nicht gut Kirschen essen ist. In höchster Not schreibt sich der Verfolgte für eine Weltraummission ein, die den fernen Eisplaneten Niflheim erkunden und besiedeln soll. Da Mickey aber weder reich genug ist, um sich als einer der zukünftigen Kolonisten standesgemäß ein Ticket sichern zu können und er erst recht keine Qualifikation als Wissenschaftler oder Techniker mitbringt, bleibt ihm nur die Möglichkeit als menschlicher Crashtest-Dummy mit an Bord gehen zu dürfen. Im Klartext heißt das: Mickey ist derjenige, den man nach der Ankunft auf dem Zielplaneten zu Himmelfahrtskommandos losschickt, bei denen er regelmäßig stirbt, um neu aus dem 3-D-Drucker als Klon seiner selbst weiterzuleben. Als dann Mickey 17 im Rahmen einer Erkundungsmission in eine Gletscherspalte stürzt, erklärt man ihn in der Basis für tot – und beginnt mit der Erschaffung seines Nachfolgers. Derweil wird der Todgesagte von Bewohnern des Eisplaneten gerettet, die fürchterlich ausschauen, gleichwohl friedlich gesonnene Wesen zu sein scheinen. Zur Basis heimkehrend sieht sich Nummer 17 mit der geklonten Nachfolge-Version konfrontiert – der im Gegensatz zu ihm erstaunlicherweise ein rechter Draufgänger ist. Zwar findet Mickeys neue Flamme Nasha (Ackie) sowohl Version 17 als auch 18 für ein Schäferstündchen geeignet – aber dem sündreichen Missionschef Kenneth Marshall (Ruffalo) geht die Existenz der beiden Doppelgänger total gegen den Strich. Die Mär von den friedvollen Bewohnern des zu besiedelnden Planeten steht seiner radikalen Idee, die Niflheimer Bevölkerung zu vergasen im Weg und würde seine Frau ihrer Chance berauben, die Wesen zu einer schmackhaften Soße zu verkochen.
Statt die Doppelgänger-Thematik randscharf auszuleuchten, schwenkt „Parasite“-Filmer Bong Joon Ho lieber zum Reiche-gegen-Proletarier-Aspekt um, bindet er in seine Blockbuster-Mär „Mickey 17“ altbekannte SciFi-Motive ein, besetzt prominent. Unterm Strich mausert sich die grellbunte Satire auf den amerikanischen Kolonialismus zum Ritt quer durch alle Genres. Gallig-bitterbös, kurzweilig.
D: Robert Pattinson, Naomi Ackie, Mark Ruffalo, Toni Colette, Steven Yeun.




September & July
Frankreich/ Griechenland/ Irland/ Deutschland/ GB ´24: R: Ariane Labed. Ab 6.3. Bild: Mubi


Obwohl September (Kann) nur zehn Monate älter als ihre Schwester July (Tharin) ist, sind die beiden Teenies doch grundverschieden. Was gleichwohl nichts daran ändern kann, dass sie allgemein als unzertrennlich exzentrische Außenseiterinnen wahrgenommen werden. Zusammen mit ihrer alleinerziehenden Mutter Sheela (Thakrar) leben die Geschwister im britischen Städtchen Oxford und besuchen dort die Schule während Mom auf freiberufliche Fotografin markiert. Als problematisch erweist sich dann eines Tages das Schwärmen der schüchternen July für einen Mitschüler, der weder Interesse an ihr hat, trotzdem deren ältere Schwester September schier ausflippen lässt. Jegliche Beziehungsbemühungen Julys könnten das von klein auf existierende Band der Verbundenheit zwischen den Geschwistern zerreißen – was es unter allen Umständen zu verhindern gilt. Unweigerlich eskaliert die Lage – als September dann sogar von der Schule suspendiert wird, beschließt ihre Mom mit den Mädchen in das alte Sommerhaus einer Verwandten in Irland zu übersiedeln. Dort angekommen ist es an der immerzu von Depressionen heimgesuchten Mutter der beiden Geschwister, nun ihrerseits aus sich herauszugehen. So eine elegante Frau wie Sheela haben die Bewohner des irischen Küstenkaffs noch nicht gesehen, kein Problem für den Neuankömmling, sich ein Mannsbild für Sex zu angeln. Hernach kehrt die Regie lieber wieder zu den von Kontrollsucht geprägten Dominanzspielen der Geschwister zurück, suhlt sich Regieneuling Ariane Labed, im wahren Leben Ehefrau des griechischen enfant terrible-Regisseurs Yorgos Lanthimos, in einer so gewöhnungsbedürftigen wie schonungslosen Darstellung seelischer Teenager-Qualen. Starker Toback, für Kino-Mimosen eher unverdauliche Kost.
D: Pascale Kann, Mia Tharin, Rakhee Thakrar, Cal O´Driscoll, Niamh Moriarty.




Bolero
Belgien/Frankreich ´24: R: Anne Fontaine. Ab 6.3. Wertung: *** Bild: X Verleih


Dass Maurice Ravel (Personnaz) der Choreografin und Tänzerin Ida Rubinstein (Balibar) die Erschaffung einer spanisch inspirierten Ballettmusik zugesagt hat, bringt den in Paris wohnenden und arbeitenden Komponisten unentwegt an den Rand eines Nervenzusammenbruchs. Über Monate hinweg will ihm partout nichts bahnbrechend Neues einfallen. Das Jahr 1927 verstreicht, das Folgejahr bricht an – und auch im Rahmen einer anstehenden Tournee, die den Franzosen in den USA und Kanada Konzerte geben lässt, begeistert sich Ravel zwar vor Ort für die brandneue Kunst des Jazz, um heimkehrend erneut über seiner nach wie vor unvollendeten Ballettmusik zu brüten. Im Oktober ´28 ist das Werk endlich vollbracht, hat den Komponisten vor allem die vielfältige Geräuschkulisse beim Besuch einer Fabrik inspiriert. Die Auftraggeberin des Orchesterwerks interpretiert Ravels Schöpfung bei der Uraufführung in der Pariser Oper sinnlich-erotisch – was dem Komponisten des Boleros total missfällt. Da sein Meisterwerk aber vom Publikum begeistert aufgenommen wird, ist diese Art der Interpretation unwiderruflich in der Welt.
In den Augen der Regisseurin Anne Fontaine steht Maurice Ravel als das unverstandene Genie da – bettet ihr „Bolero“ den besessenen Komponisten etwa in Rückblicke auf dessen Studienjahre am Pariser Konservatorium ein, wo ihm die Pianistin Marguerite Long (Devost) übern Weg läuft, um zu einer musikalischen Sparrings-Partnerin par excellence heranzureifen, beleuchtet im weiteren Verlauf des Jung-Komponisten wiederholt schmerzliche Misserfolge beim Prix de Rom-Kunstwettbewerb, und hangelt sich weiter zu Misia Sert (Tillier), Ravels Muse. Ergänzend wird dann noch Madame Revelot (Guillemin) als treusorgende Haushälterin des Musikus in die Geschichte eingeführt. Dass die filmische Biografie zwischen den Befindlichkeiten des Künstlers und der Genese des Boleros zu entscheidungslos hin und herpendelt, tut dem Ergebnis aber nicht gut.
D: Raphael Personnaz, Jeanne Balibar, Doria Tillier, Emmanuelle Devos, Sophia Guillemin, Vincent Perez.




Köln 75
Deutschland/ Belgien/ Polen ´24: R: Ido Fluk. Ab 13.3. Wertung: **** Bild: Wolfgang Ennenbach


Köln, Ende Januar 1975: Seit mehr als zwei Jahren hat sich Vera Brandes (Emde) nun schon tagsüber in schulische Themen hineingekniet, um in ihrer Freizeit dem Jazz zu frönen. So hat sie die Berliner Jazztage besucht, ist begeistert in die Kölner Clubszene eingetaucht - und versucht sich mittlerweile sogar als Veranstalterin. Erste Konzerte sind ganz gut über die Bühne gegangen, aber nun hat die 18-Jährige einen wirklich dicken Fisch am Haken: Keith Jarrett (Magaro) tourt durch Europa; über fünf Ecken kennt Vera dessen Manager, den Musikproduzenten Manfred Eicher (Scheer). Und der Schülerin mit der großen Klappe gelingt es, die Piano-Größe für einen Soloabend in der Kölner Oper zu verpflichten. Zwar kann sie bei ihren konservativen Eltern mit dieser Sensation nicht punkten – ihr Vater (Tukur) ist ohnehin der Meinung, das Fräulein Tochter sollte sich lieber irgendwann einen Ehemann suchen und Kinder kriegen; andererseits sind 1400 Karten fürs Jarrett-Konzert im Nu weg, ist die Oper an jenem anstehenden 24. Januar 1975 restlos ausverkauft. Doch dann häufen sich die Probleme – angefangen mit dem ramponierten Stutzflügel, der versehentlich statt des großen Bösendorfers auf die Bühne geschoben wird. Ein verstimmtes Teil, teils kaputt, absolut unspielbar für den Tastengott. Vera muss über sich hinauswachsen…
Die Rechte an der Musik von Jarrett und dessen legendärem Köln Concert standen Ido Fluk nicht zur Verfügung, weshalb sich die Regie auf die titanischen Anstrengungen der von Mala Emde beseelt geschauspielerten 18-Jährigen konzentriert, „Köln 75“ die Atmosphäre der Seventies präzise widerspiegelt und man sich die Geschichte des Jazz vom zum Erzähler aufgebauten Musikjournalisten Michael Watts (Chenus) abhandeln lässt. So sehens- wie hörenswert:
D: Mala Emde, John Magaro, Alexander Scheer, Ullrich Tukur, Jördis Triebel, Michael Chenus.

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