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Filme im Kino
MoX Kino-Tipps KW5118.12.2024
Die Saat des Heiligen Feigenbaums
Iran/Frankreich/Deutschland ´24: R: Mohammad Rasoulof. Ab 26.12. Wertung: ***** Bild: Films Boutique
Iman (Zareh) ist überglücklich, dass man ihn endlich zum Untersuchungsrichter ernannt hat. Da sein künftiger Dienst aber ausgerechnet am Teheraner Revolutionsgericht über die Bühne gehen soll, bekommt er zum Amtsantritt eine Pistole überreicht. Eins von vielen eindeutigen Zeichen, das im Grunde jedermann darauf vorbereiten dürfte, wie harsch die Urteilsbegründungen ausfallen sollen, die von den vorgeblichen Gesetzeshütern des iranischen Regimes erwartet werden. Als dann die Jina-Massenproteste -„Frau, Leben, Freiheit“ - das Land ab 2022 erschüttern, erlassen die Mullahs immer härtere Gegenmaßnahmen. Diese bescheren Iman zwar psychische Probleme, können ihn vom verordneten Kurs aber nicht abbringen. Bald sympathisieren selbst die beiden Töchter des Richters, Rezvan (Rostami) und Sana (Maleki), mit der sich ausweitenden Protestbewegung. Während sie auf Konfrontationskurs zu ihrem strenggläubigen Vater gehen, versucht ihre Mutter Najmeh (Golestani) verzweifelt, die Familie zusammenzuhalten. Als Rezvan und Sana einer verletzten Studentin beistehen und es Iman klar wird, dass seine Dienstwaffe verschwunden ist, bekommt das nur noch mühsam aufrecht erhaltene Familienidyll kaum mehr zu kittende Risse. Denn natürlich geht der Patriarch davon aus, dass seine Töchter fürs Verschwinden der Pistole verantwortlich sind…Unter schwierigsten Bedingungen sowie strengster Geheimhaltung im Iran gedreht, stellt Regisseur Mohammad Rasoulofs Film uns Kinogängern eine Teheraner Familie vor, deren Alltag durch die aktuellen Ereignisse im Land aus dem Takt gerät. Gleich zu Beginn seiner filmischen Tragödie blendet Rasoulof, der aus seinem Heimatland nach Drehende fliehen konnte, einen verschlüsselten Hinweis ein, der uns auf das Kommende vorbereiten soll: „Ficus Religiosa ist ein Baum mit einem ungewöhnlichen Lebenszyklus. Seine Samen, die in Vogelkot enthalten sind, fallen auf andere Bäume. Luftwurzeln bilden sich und wachsen bis zum Boden. Dann wickeln sich die Zweige um den Wirtsbaum und erdrosseln ihn. Schließlich steht die heilige Feige von allein“. Unter anderem dieser vorweggenommene Hinweis auf jene Entwicklung, in die Rasoulofs Familientragödie eingespannt wird, lässt uns ihrem Ausgang hellwach entgegenfiebern. Geschickt baut die Regie echte Handy-Videos von den brutal niedergeschlagenen Jina-Demonstrationen gegen das Teheraner Regime ins Spielfilmdrama ein; mit seiner Besetzung sowohl der Haupt- als auch Nebenrollen beweist Rasoulof ebenso ein glückliches Händchen, wie es an Kameraarbeit, Sounddesign und Filmmusik wenig zu bemängeln gibt. Sein im Frühjahr zunächst in Cannes mit dem Spezialpreis der Jury geehrtes Meisterwerk, eine nichts beschönigende Abrechnung mit dem Unrechtsregime der Mullahs im Iran kommt nun endlich in unsere Kinos – und darf Deutschland im Rennen um den anstehenden Auslands-Oscar anno ´25 schwergewichtig vertreten. Wir drücken die Daumen.
D: Missagh Zareh, Mahsa Rostami, Setareh Maleki, Soheila Golestani.
All we imagine as Light
Frankreich/Niederlande/Luxemburg/Italien/Indien ´24: R: Payol Kapadia. Ab 19.12. Wertung: **** Bild: Condor Distribution
Mentalitätsmäßig sind die umsichtige Prabha (Kusruti) und die junge Chaotin Anu (Prabha) total gegensätzlich, schieben aber gemeinsam Dienst als Pflegerinnen in ein und demselben Krankenhaus in der indischen Großstadt Mumbai – und teilen sich Prabhas Wohnung, solange deren Ehemann seinerseits einer Arbeit im fernen Deutschland nachgeht. Mit einem eines Tages vom schon viel zu lange im Ausland weilenden Gatten bei ihr eintrudelnden Geschenk hat Prabha jedenfalls kein bisschen gerechnet, fühlt sich letztlich um ihren gewohnten Alltagstrott gebracht. Und ihre Mitbewohnerin Anu hat für derlei Befindlichkeiten wie üblich kein offenes Ohr, da sie sich in einen jungen Mann verliebt hat, was ihre Familie aufgrund dessen muslimischer Religionszugehörigkeit niemals gutheißen würde. So bleiben dem Liebespaar nurmehr heimliche Treffen. Weit schlimmer scheinen sich trotz alledem die Probleme Parvatis (Kadam), der Dritten im Bunde - ihres Zeichens Köchin im Krankenhaus und Prabhas beste Freundin- auszuwachsen, der die Wohnungslosigkeit droht, nachdem jenes Haus, in dem sie seit mehr als 20 Jahren illegal wohnt, abgerissen werden soll. Prabha will ihr zwar helfen, doch dann beschließt Parvati nach all den Jahren in der Großstadt in ihr Heimatdorf zurückzukehren. Prabha und Anu kommen überein, sie dort zu besuchen – und entdecken auf ihrem Weg dorthin eine mutmachende Vertrautheit zueinander sowie ein Gefühl von neu gewonnener Freiheit. Das Spielfilmdebüt Payol Kapadias beobachtet mit dokumentarischem Anspruch drei sehr unterschiedliche Frauen in ihrem Arbeitsalltag in Mumbai, kontrastiert den großstädtischen Hexenkessel mit der dörflichen Idylle am Meer. Mit Blick auf eine Story passiert wenig, inszeniert Kapadia lieber bildhaft, schwelgt im Atmosphärischen – was Cannes im Frühjahr den Großen Preis der Jury wert war.
D: Kani Kusruti, Divya Prabha, Chhaya Kadam, Hridhu Haroon, Azees Nedumangad.
Der Spitzname
Deutschland ´24: R: Sönke Wortmann. Ab 19.12. Wertung: *** Bild: Constantin Filmverleih
Thomas (Fitz) und Anna (Uhse) stehen kurz davor, einander das Ja-Wort geben zu wollen. Grund genug für den karrieresüchtigen Immobilienmakler, die engere Verwandtschaft auf einen Kurztrip in die Tiroler Alpen einzuladen. Dort hofft das heiratswillige Pärchen im ausgesuchten Luxus-Skiresort den passenden Rahmen fürs geplante Ereignis vorzufinden. Doch statt der erwünschten Traumhochzeitsatmosphäre erwartet die vor Ort einschwebende Verwandtschaft hitzige Debatten um Cancel Culture, Wokeness und unverzeihliche Tabu-Worte. Wem Regisseur Sönke Wortmanns Erfolgskomödien „Der Vorname“ und „Der Nachname“ noch in Erinnerung sind, den wundert´s kaum, dass in dessen neuestem Kino-Kapitel über den Alltag der miteinander eng verbandelten Chaosfamilien namens Böttcher, Berger oder König Zoff und Geheimniskrämerei wie eh und je unvermeidlich sind. Dem abermals zusammengetrommelten Star-Ensemble macht es derweil sichtlich Spaß, einander die Dialog-Pointen gekonnt um die Ohren zu hauen. Trotz manch überkonstruierter Plot-Volte gelingt Wortmanns Team mit „Der Spitzname“ ein unterhaltsamer Kino-Streich.
D: Janina Uhse, Florian David Fitz, Christop Maria Herbst, Caroline Peters, Justus von Dohnányi, Iris Berben.
Mufasa: Der König der Löwen
USA ´24: R: Barry Jenkins. Ab 19.12. Vorankündigung Bild: Disney Enterprises
Der weltweiten Fangemeinde des Filmmusicals „Der König der Löwen“ dürfte der Name Simba definitiv ein Begriff sein. Und man erinnert sich möglicherweise auch noch vage daran, dass dessen Vater Musafa hieß, den einst ein schlimmes Schicksal ereilte. Was seinerzeit passiert ist, das bekommt Simbas und Nalas kleine Tochter Kiara hier vom weisen Rafiki erzählt – und mit ihr tauchen wir ebenfalls in die Vorgeschichte zu „Der König der Löwen“ ein. Wir begleiten den verwaisten Löwenjungen Musafa, der beim Herumirren durchs weite afrikanische Land der Sippe des Junglöwen Taka begegnet und von dessen Clan adoptiert wird. Taka, somit Musafas Adoptivbruder, der sich eigentlich als legitimer Thronfolger begreift, ist also noch bevor Scar aus ihm wird schon neidisch auf diesen familiären Konkurrenten. Älter werdend geraten die beiden Adoptivbrüder dann in ein gefährliches Abenteuer hinein, als sie einem Rudel weißer Löwen unter Anführung des charismatischen Kiros begegnen. Barry Jenkins´ Live-Action-Film ist die Fortschreibung von Disneys 2019 erschienener Realfilm-Neuverfilmung der Zeichentrickfilm-Mär „Der König der Löwen“ als Prequel - mit einer Fülle von neuen Songs und Charakteren, die im Leben Musafas eine entscheidende Rolle spielen. Und ja, auch das Warzenschwein Pumbaa und die Meerkatze Timon sind schon hier mit von der Partie, lange bevor sie in Simbas Leben eine Rolle spielen werden. That´s life - Hakuna Matata! Mit Special-effects verfremdete Real-Tierfilm-Mär
Better Man – Die Robbie Williams Story
USA/GB ´24: R: Michael Gracey. Ab 2.1.´25. Wertung: ***** Bild: Tobis Film
Das familiäre Umfeld, in dem der kleine Robert aufwächst, ist von Armut geprägt – und niemand zeigt sich überrascht, als das Familienoberhaupt dann eines Tages auf Nimmerwiedersehen verschwindet. Rob, der die Schnapsidee seines Alten, auf Entertainer zu markieren und im Showbiz groß rauszukommen, stets cool fand, muss sein Leben nun früher als gedacht selbst meistern. Begabt wie er ist, gelingt es dem Youngster dann sogar als einer von Fünfen in der Boygroup Take That Karriere zu machen. Da es ihn aber eigentlich ganz nach vorne ins Rampenlicht zieht, muss die Boygroup irgendwann auseinanderbrechen. Als Robbie Williams schafft er es zwar bis ganz nach oben, doch Selbstzweifel mehren sich. Depressionen lassen sich bald nurmehr mit Drogen in den Griff kriegen, Stimmungsschwankungen sind Robs ständige Begleiter… Nach „Rocketman“, seinem Biopic über die Musikergröße Elton John, widmet sich Regisseur Michael Gracey in „Better Man“ erneut einem Showbiz-Star. Sein Kunstgriff diesmal: Ob man in Robbies Kindheit zurückblendet, oder es um den ganz großen Show-Auftritt in der altehrwürdigen Royal Albert Hall geht, stets bekommen wir einen Schimpansen in Menschengestalt präsentiert – ganz so, als entspräche dies der Sichtweise, die Williams auf sich selbst hat. Ein Ergebnis, das uns jemanden ins Bild rückt, der sich permanent zum Affen macht und damit Millionen einsackt – welch Chuzpe! In Verbindung mit Graceys Talent, die Musikeinlagen zu inszenieren, lohnt sich der Film selbst für jene Kinogänger, die keine Robbie Williams Fans sind.
D: Jonno Davies, Steve Pemberton, Damon Herriman, Alison Steadman, Kate Mulvany.
Nosferatu – Der Untote
USA ´24: R: Robert Eggers. Ab 2.1. ´25. Wertung: ***** Bild: Focus Features
Um seine Stellung in der Wisborger Maklerfirma zu festigen, lässt sich der junge Angestellte Thomas Hutter (Hoult) zu einer Reise ins ferne Transsylvanien überreden, wo er einem gewissen Graf Orlok (Skarsgard) eine leerstehende Immobilie verkaufen soll. Als seine ihm jüngst erst angetraute Gemahlin Ellen (Depp) von Thomas´ Plänen hört, versucht sie mit allen Mitteln, ihn von diesem Trip abzuhalten – schließlich plagen sie seit längerem schon düstere Vorahnungen, die stets in sexuell finstere Alpträume einmünden. Und diese korrespondieren mit jenen des transsylvanischen Grafen, der mit dem Kauf eines Wisborger Gebäudes vor allem deshalb liebäugelt, weil ihm Ellen in seinen Visionen ebenfalls schon wiederholt erschienen ist. Während sich Thomas Hutter auf den beschwerlichen Weg gen Karpaten macht und es ihm erst nach seiner Ankunft auf Orloks Schloss dämmert, wie begründet die Vorahnungen seiner Ehefrau waren, siecht Ellen im heimischen Wisborg apathisch dahin. Einzig der für übersinnliche Phänomene empfängliche Professor Albin Eberhart von Franz (Dafoe) ahnt, was Thomas´ Gemahlin widerfährt, doch der dämonischen Macht des Grafen hat auch er einstweilen wenig entgegenzusetzen. Mit seiner Adaption des schon mehrfach verfilmten Untoten-Klassikers hommagiert Regisseur Robert Eggers F. W. Murnaus „Nosferatu“, und erweitert diese auf Bram Stokers weltberühmter Dracula-Vorlage beruhende Blutsauger-Story, indem er vor allem Ellen und Thomas Hutter sowie dem Orlok-Widersacher Professor von Franz mehr Komplexität zubilligt. Gekonnt spielt die Regie obendrein mit Licht und Schatten, wird die Schauerromantik des 19. Jahrhunderts stilistisch überaus stimmig nachempfunden - und das Soundkonzept tut ein Übriges, um Thrill zu erzeugen. Kurzum: Mission Neuverfilmung geglückt.
D: Bill Skarsgard, Nicholas Hoult, Lily-Rose Depp, Willem Dafoe, Aaron Taylor-Johnson, Emma Corrin, Simon McBurney.