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Filme im Kino
Kino-Tipps KW4506.11.2024
Texte: Horst E. Wegener
Hypnose
Schweden/ Norwegen/ Frankreich ´23: R: Ernst De Geer. Ab 7.11. Wertung: **** Bild: Jonathan Bjernstedt
Zusammen mit André (Nordrum), ihrem Geschäftspartner und Lebensgefährten, hat Vera (August) eine App für Frauengesundheit entwickelt. Um deren Markteinführung anzugehen, bräuchte das Duo im nächsten Schritt allerdings Investoren, die einem auch finanziell unter die Arme greifen. Wie gut für Vera und André, dass sie sich mithilfe ihrer Mentorin Lotta (Edwards) Zutritt zu einem mehrtägigen Pitching Event verschaffen konnten, bei dem anreisende Start Ups mit ihren Ideen um die Aufmerksamkeit der anwesenden Geldgeber buhlen dürfen. Dem Wochenend-Event vorgeschaltet ist ein Workshop des charismatischen Coachs und Moderators Julian (Regnfors), der die Teilnehmer in der hohen Kunst der bestmöglichen Präsentation unterrichten will. Kaum am Tagungsort angekommen beginnt Vera, sich seltsam zu verhalten. Sehr zum Leidwesen ihres auf den Pitch konzentrierten Partners benimmt sie sich berechenbar unberechenbar: Dürstet nach Nähe, tanzt wild durchs Hotelzimmer, provoziert die anderen Start-up-Teilnehmenden und erfindet im Kreis der von Julian geleiteten Runde einen Hund, den ausschließlich sie sehen kann. In seiner Not versucht André, Vera mit Schlaftabletten auszuschalten…Dass seine Start-up-Partnerin so total über die Stränge schlägt, beruht auf einer Hypnose-Session, die Vera noch kurz vorm Hotelwochenende absolvieren mochte. Was eigentlich dazu gedacht war, endlich vom Rauchen loszukommen, funktioniert komplett anders. Befreit vom Zwang, den gesellschaftlichen Normen zu entsprechen, stellt Andrés Partnerin nach Beendigung der Hypnose-Sitzung nicht nur ihr eigenes Leben mitsamt beruflicher und privater Ausrichtung, sondern grundsätzlich alles in Frage. Dass da die unterschiedlichsten Weltanschauungen hart aufeinanderprallen, gibt zum einen dem Schauspieler-Duo Asta Kamma August und Herbert Nordrum die Chance, über sich hinauszuwachsen, während Regiedebütant Ernst De Geer die Gelegenheit nutzt, uns eine witzig-bissige Satire zu präsentieren. Mit „Hypnose“ gelingt ihm ein zurecht mehrfach preisgekrönter Festival-Geheimtipp und Publikumsliebling.
D: Asta Kamma August, Herbert Nordrum, David Fukamachi Regnfors, Andrea Edwards, Julien Combes, Karin de Frumerie.
Red Rooms - Zeugin des Bösen
Kanada ´23: R: Pascal Plante. Ab 7.11. Wertung: **** Bild: 24 Bilder
Montreal anno 2022: Das Entsetzen in der Bevölkerung über jene grauenhaften Verbrechen, die man Ludovic Chevalier (McCabe-Lokos) zur Last legt, ist riesig - drei minderjährige Mädchen soll er entführt, sexuell missbraucht und per Livestream im Dark Web gegen Bezahlung zu Tode gefoltert haben. Da der Prozess öffentlich anberaumt wurde, finden sich tagtäglich jede Menge Schaulustige im Gerichtssaal ein – darunter das internet-affine Online-Poker-Ass Kelly-Anne (Gariépy), die der Argumentation von Chevaliers auf unschuldig plädierender Verteidigung mitnichten glaubt. Von ihrer Saal-Bekanntschaft Clementine (Babin), die ebenfalls Zweifel hegt, wird Kelly-Anne alsbald in intensive Debatten über Schuld oder eventuelle Unschuld des Angeklagten verwickelt, wird sie von ihr dazu gedrängt, das Dark Web nach weiteren Details zum Fall zu durchstöbern. Derweil liegt Regisseur Pascal Plante viel daran, die Motivation seiner Figuren bis zuletzt im Vagen zu belassen. Anstatt die im Prozess vorgelegten Beweisvideos aus dem Folterkeller zu zeigen, wird dem Kinogänger nurmehr die Tonspur zugänglich gemacht, die in Zusammenhang mit den Reaktionen der Anwesenden für effektiven Thrill sorgt – und „Red Rooms“ gekonnt über gängig-plumpe Slasher-Produktionen hinaushebt.
D: Juliette Gariépy, Laurie Babin, Maxwell McCabe-Lokos, Natalie Tennous, Pierre Chagnon, Francine Beaulieu, Guy Thauvette.
Spirit in the Blood
Deutschland/Kanada/Frankreich ´24: R: Carly May Borgstrom. Ab 7.11. Wertung: **** Bild: Weltkino Filmverleih
Dass der neue Wohnort der Grimms fernab jeglicher Zivilisation in einer von Kanadas waldreichsten Ecken verortet ist, daran muss sich Teenagertochter Emerson (Howell) erst mal gewöhnen. Zwar fällt es der stets in sich gekehrten Außenseiterin schwer, in der sektenhaften Gemeinde Anschluss zu finden, doch in Klassenkameradin Delilah (Racicot) erwächst ihr bald eine echte Freundin. Dieser Seelenverwandten mag Emerson dann auch getrost von ihrer denkwürdigen Begegnung tief im Wald berichten: Da ist ihr beim Erkunden der Gegend sekundenlang eine Kreatur ins Blickfeld geraten, die einem Mix aus Mensch und Baum ähnelte. Sollte man diese Beobachtung als Tagträumerei einer Pubertierenden einstufen und vergessen? Womöglich könnte das Wesen aber auch mit dem Verschwinden der jungen Rebecca aus Emersons neuer Schulklasse zu tun haben. Während jene Erwachsenen in der Gemeinde, denen die Beobachtung des Teenie-Neuankömmlings zu Ohren kommt, mitnichten an ein Monster im Wald glauben, beschließen Emerson und Delilah ein selbst ersonnenes Ritual zu bemühen, mit dessen Hilfe sie eine mythische Kraft freizusetzen hoffen, um somit der Kreatur gewachsen zu sein. Da aber auch andere Mädchen aus dem Dorf Emerson ihre Erzählung vom Waldmonster abnehmen, bekommt das Teenie-Duo rasch Zuwachs. Für ihr Erstlingswerk bedient sich die kanadische Autorin und Regisseurin Carly May Borgstrom schlitzohrig bei altbekannten Themen und Motiven einschlägiger Coming-of-Age-Dramen, die geschickt ins Korsett eines psychologischen Horrorfilms eingeschnürt werden. Gekonnt entzieht sich „Spirit in the Blood“ einfachen Zuschreibungen, lässt man auch den Kinogänger bis ins Finale hinein gern im Unklaren darüber, ob das Gesehene Einbildung war oder real einzustufen ist. Sperrige Genrekost für Fans.
D: Summer H. Howell, Sarah-Maxine Racicot, Michael Wittenborn, Greg Bryk, Michelle Monteith.
Niko – Reise zu den Polarlichtern
Finnland/Deutschland/Dänemark/Irland ´24: R: Kari Juusonen. Ab 7.11. Wertung: **** Bild: Leonine
Es ist der große Traum des Rentier-Jungen Niko, es seinem Vater gleich zu tun – und künftig ebenfalls Mitglied der Fliegenden Truppe des Weihnachtsmanns sein zu dürfen. Da aber auch Rentier-Mädchen Stella der Meinung ist, dass sich Mädels beim Weihnachtsfliegen kein bisschen schlechter schlagen würden, scheint beinhartes Wetteifern um den zu vergebenden Posten unausweichlich. Für Niko kommt somit die Frage auf, ob Stellas Konkurrenz-Denken seiner teamplayer-orientierten Freundschaft mit dem ehrgeizigen Mädel nicht schadet. Teil I war 2009 mit über 750 000 verkauften Tickets in Deutschland einer der erfolgreichsten Kinderfilme des Jahres. Anno 2012 schob man Teil II nach, dem nun Teil III folgt. Da das kindgerecht erzählte und liebevoll inszenierte Animationsabenteuer auch älteren Semestern Unterhaltung garantiert, taugt „Niko – Reise zu den Polarlichtern“ zum kurzweilig-lehrreichen Kinospaß für jung und alt in der Vorweihnachtszeit.
Animatinsfilm
Gladiator II
USA ´24: R: Ridley Scott. Ab 14.11. Vorankündigung Bild: Paramount Pictures
Gut zwei Jahrzehnte sind seit den Ereignissen aus „Gladiator“ vergangen – und der mittlerweile zum Erwachsenen gereifte Lucius Verus (Mescal) fühlt sich wohl in seiner nordafrikanischen Exil-Heimat. Doch die friedvolle Zeit endet jäh, als ihn die Truppen des römischen Generals Marcus Acacius (Pascal) aufstöbern, gefangen nehmen und nach Rom verbringen, wo er in der Arena des Kolosseums als Gladiator geopfert werden soll. Der zwiespältige Waffenhändler Macrinus (Washington) steht Lucius als eine Art Mentor bei, verfolgt gleichwohl eigene Pläne. Insgeheim arbeitet er schon länger daran, die beiden Herrscher Roms, Geta (Quinn) und Caracalla (Hechinger) zu beseitigen, um selbst als Kaiser das Römische Reich anzuführen.Mit einer Vielzahl von Intrigen, Schachten und blutrünstigen Arena-Kämpfen versucht Ridley Scott jenen speziellen Blockbuster-Hype zu reanimieren, den der Original-„Gladiator“ anno 2000 auslöste. Das gigantische Budget von rund 300 Millionen Dollar stellte jedoch auch ein enormes Risiko dar, für ein Sequel, das kaum notwendig war und das dennoch die Massen weltweit in die Kinos locken dürfte – denn Panem et circenses sind immer en vogue, weshalb Teil III bereits in Vorbereitung ist.
D: Paul Mescal, Pedro Pascal, Connie Nielsen, Denzel Washington, Joseph Quinn, Fred Hechinger.
Neuigkeiten aus Lappland
Finnland/Estland ´24: R: Miia Tervo. Ab 14.11. Wertung: ****
Wir schreiben das Jahr 1984 und der Kalte Krieg lässt Finnland besonders in der Grenzregion gen Osten wachsam sein – als man eine Rakete sichtet, die prompt abstürzt. Sollten die Sowjets es etwa darauf angelegt haben, Lappland attackieren zu wollen? Eine super Geschichte für die alleinerziehende Mutter Niina (Airola), die versehentlich das Panoramafenster der Lokalzeitung zerstört hat, woraufhin sie beschließt, den Schaden als neue Reporterin fürs Blatt abzuarbeiten. Während sie glaubt, eine brisante Geschichte aufdecken zu können, will man im Ort vom möglicherweise geplanten atomaren Angriffskrieg lieber nichts wissen. Aber dann rückt finnisches Militär in die kleine Gemeinde ein, gesellen sich Politiker hinzu – und Niinas Glaube an eine politische Intrige ist mit einem Mal keine bloße Theorie mehr… Die zunächst amüsante Tragikomödie wird zunehmend ernster, indem sie die damalige Neutralität Finnlands rückblickend als Fehler betrachtet, der auf der puren Verdrängungsmentalität der Westler gegenüber dem Osten beruht. Insoweit ein hochaktueller Filmstoff; unbedingt sehenswert!
D: Oona Airola, Pyry Kähkönen, Hannu-Pekka Björkman, Tommi Korpela.