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Filme im Kino

MoX Kinotipps KW 5120.12.2022











Texte: Horst E. Wegener

The Banshees of Inisherin
Irland/GB/USA ´22: R: Martin McDonagh. Ab 5.1. Wertung: **** Bild: Walt Disney Company


Während sich Irland im Frühjahr 1923 in einem Bürgerkrieg verheddert, schauen die Bewohner der vor der Westküste gelegenen fiktiven Insel Inisherin diesem Irrsinn noch halbwegs gelassen zu. Nach Möglichkeit will hier niemand in die Auseinandersetzungen hineingezogen werden. Und so geht auch Padraic (Farrell) lieber dem gewohnten Feierabendritual nach. Schaut bei seinem Nachbarn Colm (Gleeson) vorbei, um ihn wie üblich zum Besuch des Insel-Pubs abzuholen. Dass er noch in der Tür die langjährige Freundschaft von jetzt auf gleich und ohne irgendeine schlüssige Begründung aufgekündigt bekommt, macht den gutmütigen Kerl fassungslos. Was könnte dahinterstecken? Die Behauptung, sich künftig total dem Komponieren widmen zu wollen, erscheint Colms Kumpel vollkommen aus der Luft gegriffen. Sofern der Fiedler seine Berufung als Irlands Antwort auf Mozart auszuleben gedenkt, sollte ihm selbst der hartnäckigste Komponier-Eifer weiterhin Zeit für ein Stündchen in der Stammkneipe lassen. Also versucht Padraic alles, um Colm von diesem idiotischen Vorhaben abzubringen. Doch der maulfaule Sturkopf bleibt hart. Droht, sich notfalls einen Finger nach dem anderen abzuschneiden, falls ihn der Ex-Freund weiter nerven sollte. Auch Padraics Idee, seine gewitzte Schwester Siobhan (Condon) um Rat zu fragen, in der Hoffnung, dass sie eine Idee haben könnte, wie man Colm zum Einlenken bringt, scheint zum Scheitern verdammt…
Eine Banshee kennt man in Irland in einer auf die keltische Mythologie zurückgehenden Tradition als eine Art Todesengel – was uns für die Entwicklung von Martin McDonaghs vierter Kinoregiearbeit nichts Gutes ahnen lässt. Der Filmemacher („Three Billboards outside Ebbing, Missouri“), der seine Karriere als Theaterautor begann, zeigt zum wiederholten Mal ein Gespür fürs Entwickeln und Inszenieren dramatischer Situationen. Da sein Vater von einer der Irland vorgelagerten Aran-Inseln stammt, wo er mitsamt der Familie oft die Ferien verbrachte, ist dem McDonagh-Sprössling die Mentalität des dort ansässigen sehr speziellen Menschenschlags bestens geläufig. Gut vierzehn Jahre nach seinem Debütkinofilm „Brügge sehen … und sterben?“ bringt der Schauspieler-Filmer die beiden Charakterköpfe Colin Farrell und Brendan Gleeson endlich mal wieder zusammen. Lässt sie sich an der Frage, warum Colm seinem Kumpel die Freundschaft aufkündigt, gnadenlos konsequent abarbeiten. „The Banshees of Inisherin“ gerät zu einer vielschichtigen Charakterstudie – schwarzhumorig, bewegend, sowohl in Venedig preisgekrönt als auch bei den bevorstehenden Golden Globes und den Oscars einer der Favoriten.
[font=Univers]D: Brendan Gleeson, Colin Farrell, Kerry Condon, Barry Keoghan, Pat Shortt.[/font]


Der gestiefelte Kater: Der letzte Wunsch
USA ´22: R: Joel Crawford/ Januel Mercato.  Ab 22.12. Wertung: ****  Bild: Universal Pictures France
Da Katzen bekanntlich neun Leben haben, sieht der gestiefelte Kater keinen Grund, vor noch so riskanten Fehden zurückzuschrecken. Doch dann entwendet dem in die Jahre gekommenen Recken Gevatter Tod in Gestalt eines großen bösen Wolfs eines Tages seinen Säbel und kauft ihm somit auch den über acht Leben hinweg mächtig gewachsenen Schneid ab. Mit der Erkenntnis, dass nach Numero Neun Sense ist, überkommt den Kater jäh Panik. Er verbuddelt seinen geliebten Schlapphut und die Stiefel - und taucht in einem Katzenheim unter. Auf Dauer ist das natürlich keinesfalls eine Lösung – weshalb sich der zur Memme mutierte Ex-Held irgendwann dazu entschließt, gen Märchenwald aufzubrechen. Dort irgendwo ist der sagenhafte Wunschstern versteckt – der einem zum Weiterleben verhelfen könnte. Allerdings sind auch des Katers Erzfeindin Kitty Samtpfote sowie Kopfgeldjägerin Goldie und ihre Bärenbande scharf auf den Stern.
Während der von sich selbst stets überzeugte Kater im Verlauf der Reise lernt, auf andere Rükksicht zu nehmen und Freundschaft wertzuschätzen, dekliniert das temporeich inszenierte Animations-Spektakel auch düstere Themen wie Sterblichkeit, Selbstzweifel oder Angst vor dem Tod durch. Wer sich die Entwicklung dieses gestiefelten Katers ins Gedächtnis ruft, angefangen mit seinen Sidekick-Abenteuern als Kumpel des Hollywood-Helden Shrek hin zum ersten Solo-Abenteuer anno 2011, den dürften bei diesem filmischen Nachschlag allein schon die perfekt animierten Bilderwelten beeindrucken, die einem allerbeste Familienunterhaltung bis ins Finale garantiert.   Animationsfilm



Oskars Kleid
Deutschland ´22: R: Hüseyin Tabak.  Ab 22.12. Wertung: ****  Bild: Pantaleon Film/ Warner Bros.

Ben (Fitz) macht die Trennung von seiner Frau Mira (Burchard) schwer zu schaffen. Die ist zwar längst mit einem neuen Mann zusammen, doch als sie dann schwangerschaftsbedingt ins Krankenhaus muss, sieht ihr Ex seine Chance gekommen, mit den beiden gemeinsamen Kindern wieder Zeit zu verbringen. Also ziehen Oskar (Lauri) und Erna (Petsch) wieder bei ihrem Vater ein. Und prompt sieht sich Ben mit dem Problem konfrontiert, dass sein Junge nurmehr in einem Kleid herumläuft und Lilli genannt werden will.Florian David Fitz ist nicht nur ein guter Schauspieler, sondern auch ein talentierter Drehbuchautor. Jemand mit einem Gespür für aktuelle Themen und dem entsprechenden Fingerspitzengefühl, diese anzugehen. Dank der umsichtigen Regie von Hüseyin Tabak darf Autor Fitz sich in „Oskars Kleid“ als verunsicherter Vater schauspielerisch ausleben und letztlich eine Lanze für die Transsexualität junger Menschen brechen.

D: Florian David Fitz, Lauri, Ava Petsch, Marie Burchard, Senta Berger.



I wanna dance with somebody
USA ´22: R: Kasi Lemmons.  Ab 22.12. Wertung: ***  Bild: CTMG, Inc

Mit der Karriere der Pop-Ikone Whitney Houston ging es steil aufwärts, bis sich die begnadete Sängerin in Drogenexzesse und Abhängigkeiten von bad-guy-Typen hoffnungslos verhedderte. Dem Pech, sich immerzu in verhängnisvoll eskalierenden Situationen wiederzufinden und dann dem Rat nicht wohlmeinender Mentoren zu vertrauen, ließ ein böses Ende früh erkennen. In dem dreistündigen Biopic von Kasi Lemmons durchleidet Houston-Verkörperung Naomi Ackie so sehens- wie hörenswert die letzte Phase im Leben des Stimmwunders, das sich mit Hits wie „I´m your baby tonight“ oder „I will always love you“ übern Tod anno 2012 die ewige Zuneigung ihrer Fans sicherte.

D: Naomi Ackie, Stanley Tucci, Ashton Sanders, Tamara Tunie, Nafessa Williams, Clarke Peters.



Was man von hier aus sehen kann
Deutschland ´22: R: Aron Lehmann. Ab 29.12. Wertung: ***
Dieses Kaff scheint weniger im Westerwald, sondern vielmehr total aus der Zeit gefallen und irgendwo im Nirgendwo angesiedelt zu sein – zwar sind den Dörflern Fernseher vertraut, man ist aber im schwarzweiß-dominierten Röhrenfernsehzeitalter stecken geblieben. Handys: Fehlanzeige! Andererseits passt die märchenhaft-seltsame Umgebung hundertprozentig zu ihren Bewohnern, diesem schrulligen Menschenschlag. Luises Großmutter Selma (Harfouch) beispielsweise lebt mit der Gewissheit, dass irgendjemand tags drauf sterben muss, wann immer ihr in der Nacht zuvor ein Okapi im Traum erschienen ist. Da sich ihre Vorhersagen schon mehrfach als zutreffend erwiesen haben, verfallen alle im Dorf in hektische Betriebsamkeit, sobald Selma mal wieder aus einem ihrer Schicksalsträume aufwacht. Dann werden Geheimnisse enthüllt und Geständnisse oder Liebeserklärungen in allerletzter Minute gemacht. Denn wen es trifft, dazu gibt es vorab keinerlei Hinweise von der Visionärin. Die Sonderbegabung von Selmas Enkelin Luise (Wedler) bringt es derweil mit sich, dass wann immer sie etwas anderes sagt, als sie denkt, sofort etwas zu Bruch geht. Und damit sind nur zwei Figuren skizziert im lebensprallen Dörflerreigen, den Filmemacher Aron Lehmann Mariana Lekys Romanbestseller „Was man von hier aus sehen kann“ mit einem außerordentlichen Gespür für absurde Momente abgewinnen mochte. So selten uns solch ein Ausflug in eine Welt, in der alles möglich ist, im deutschen Kinogeschehen unterkommt, so vergnüglich ist´s, sich auf Buch wie Film einzulassen.

D: Luna Wedler, Corinna Harfouch, Karl Markovics.

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