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Buch-Tipps

„Letti Park“ von Judith Hermann20.03.2024



Interview & Foto: Thea Drexhage

MoX: Wovon handelt das Buch?
Anja Seemann: Ich finde, dass die Kurzgeschichte auch mal wieder ein bisschen frischen Wind vertragen kann, deshalb habe ich mich für „Letti Park“ entschieden. Judith Hermann schickt uns hier direkt in die Geschichten hinein und lässt uns manchmal auch ein bisschen stehen, was viel Raum für Interpretationen lässt. Insgesamt sind in diesem Band 17 Erzählungen gesammelt, die alle sehr unterschiedlich sind. Von Alltagsthemen bis zum Zirkuszelt. Eine meiner Lieblingsgeschichten heißt „Papierflieger“ und spielt an einem einzigen Tag. In diese steigt man sehr unvermittelt ein und weiß erstmal überhaupt nichts über die Figuren. Im ersten Satz steht ein Vorstellungsgespräch bevor und man erfährt, dass es sich um eine alleinerziehende Mutter mit zwei Kindern handelt. Diese sind krank und es wird schnell deutlich, dass es sich um eine Ausnahmesituation handelt. Das innere Ringen darum, was nun wichtiger ist, die Kinder oder das Vorstellungsgespräch, wird dargestellt. Sie entscheidet sich, einen Freund anzurufen und weiß, dass es noch viel zu früh für ihn ist, aber er wird trotzdem kommen und auf die Kinder aufpassen. Dabei gibt es ganz viel Ungesagtes in der Beziehung zwischen diesen beiden Figuren und das ist sehr interessant. Auch die Hintergründe der Mutter werden nur knapp angerissen. Wir wissen, dass sie sich in einer Sozialstation bewirbt, und erfahren durch den Dialog, dass ihr Background krisenbehaftet ist. Mehr aber auch nicht. Wir erfahren auch nicht, ob sie die Stelle bekommt oder nicht.
MoX: Was hat Ihnen besonders gut gefallen?
Anja Seemann: Ich finde ganz spannend, dass in den Geschichten einerseits Verdichtungen stattfinden, aber auch Leerstellen. Ich liebe Judith Hermanns Sprache, das ist der ausschlaggebende Punkt, warum ich sehr viel von ihr lese. Sie schreibt einfach wunderschöne Sätze, die mich sehr faszinieren. Vieles ist kurz und prägnant und ich finde ganz interessant, wie sie es schafft, manchmal binnen von vier Sätzen, große Zeitsprünge über Jahre zu zeichnen. Das ist eine ganz große Kunst denke ich und bei ihr wohl einer der Gründe, warum sie zu so einer renommierten Schriftstellerin geworden ist.
MoX: Wem würden Sie das Buch empfehlen?
Anja Seemann: Es sind nicht unbedingt Happy-End-Geschich-ten. Ich denke, das Buch eignet sich eher für literaturaffine Menschen, weil man als Leser schon oft alleingelassen wird – wobei ich Leerstellen oft gar nicht negativ finde. Es werden viele Frauenperspektiven verhandelt und das ist in puncto weibliches Schreiben/ weibliche Autorinnen nochmal interessant.
MoX: Wie haben Sie das Buch gelesen?
Anja Seemann: Ich habe es in Papierform gelesen, habe aber auch einen Kindle, den ich nicht missen möchte, da ich sehr viel unterwegs bin. Ich habe auch Hörbücher für mich entdeckt. Es kommt immer auf die Situation an. Ich habe eine komische Klassifikation, welche Bücher ich in Papierform kaufe, aber von Judith Hermann habe ich einige.

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