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Buch-Tipps

„Buddenbrooks: Verfall einer Familie“ von Thomas Mann09.03.2021



Mox: Worum geht es in dem Buch?
Reinhard Schenke: Thomas Mann beschreibt über mehrere Generationen den Auf- und Abstieg einer Lübecker Kaufmannsfamilie und arbeitet das so fein aus, dass man in allen familiären Verstrickungen hinterher sehr zuhause ist und genau erkennt, wo wirtschaftliche Entscheidungen waren, die der Familie gut getan haben und wo Entscheidungen gefallen sind, die hinterher zum ökonomischen Absturz dieser Familie geführt haben. Da spielen aber auch Heiraten und Trennungen, im 19. Jahrhundert ja auch ein ganz heikles Thema, eine Rolle, sowie Betrug im Wirtschaftsleben und riskante Investments. Es ist wirklich ein tolles, rundes Bild einer Kaufmannsfamilie in all ihren Verästelungen. Es gibt viele tolle Figuren in dem Roman. Am zentralsten ist Thomas Buddenbrook, der Sohn des Firmengründers, der den meisten Raum einnimmt, dann aber auch den Absturz der Familie zu verantworten hat bzw. in wirtschaftliche Umstände kommt, in denen das Geschäft nicht mehr so gut läuft. Er kommt auch selbst sehr tragisch ums Leben mit Anfang 50 nach einem Zahnarztbesuch. Damit gewinnt Thomas Mann so eine Lust am Untergang. Da stirbt dann nicht nur Thomas Buddenbrook sondern noch viele weitere Familienmitglieder, darunter auch der einzige Erbe Hanno Buddenbrook. An Thomas kann man sehr viel auf die Person konzentriert sehen, wie die Familie sehr erfolgreich ist, aber auch genauso schnell an den Abstieg gerät.


Mox: Wie haben sie das Buch gelesen?
Reinhard Schenke: Das erste Mal habe ich es als Schüler kurz vor dem Abitur gelesen und fand es, wie das bei Pflichtlektüre ist, Ok, aber nicht toll. Dann habe ich es in meinem Literaturwissenschaftsstudium nochmal gelesen. Da bin ich zum Fan der Buddenbrooks geworden. Es hatte historisch etwas Tolles. Es erklärte mir was über die Familienstruktur im 19. Jahrhundert und Wirtschaftsverhältnisse der Zeit. Dann habe ich es vor 10 Jahren noch einmal gelesen und es aus einer dritten Perspektive als Globalisierungsroman gelesen, das fand ich irre, zu sehen, wie das 19. Jahrhundert schon Strukturen hatte, die wir fast 100 Jahre später als neuen Trend der Globalisierung empfunden haben.  
Mox: Was hat Ihnen besonders gut gefallen?
Reinhard Scheneke: Am besten gefallen mir die tollen Beschreibungen, die Thomas Mann macht. Direkt am Anfang trifft sich die Großfamilie zum Essen. Allein das gibt einen tollen Eindruck bürgerlicher Kultur am Ende des 19. Jahrhunderts. Es wird toll beschrieben, wie die sich treffen, dass sie sich nach dem Essen in ein Billiard- oder Rauchzimmer zurückziehen. Eine ganz tolle Beschreibung ist auch die des großbürgerlichen Weihnachtsfests, welches auf fast 20 Seiten großartig beschrieben wird. Thomas Mann ist jemand, der toll beschreiben kann, auch wenn er sich manchmal in Details und Einzelheiten verliert.
Mox: Wem würden Sie das Buch empfehlen?
Reinhard Schenke: Ich bin da immer ganz vorsichtig. Literaturempfehlungen sind immer etwas ganz Schwieriges. Ein Buch das mir gefällt muss ja anderen nicht gefallen, aber gerade in heutiger Zeit wo wir viele Erklärungen suchen, dazu, wie sich unsere Welt verändert und ob wir uns in einer besonders schwierigen Zeit befinden, damit meine ich nicht Corona, sondern den ökonomischen Wandel und Gerechtigkeit, da kann man mal in das Buch hineingucken und sagen: vor 100 Jahren gab es auch eine unfassbar dynamische Phase, die Menschen auch sehr unter einen hohen Veränderungsdruck gestellt hat. Wir sind derzeit in einer Phase, die es schon einmal gab. Wer sich für Veränderungen in der Gesellschaft interessiert, der kann das Buch einmal in die Hand nehmen.

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