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Eine Herausforderung16.08.2023





Text und Fotos: Thea Drexhage
Veranstalter Till Krägeloh zeigte sich bei der Eröffnung sichtlich gerührt über die vielfältige Unterstützung, die er von Mitwirkenden und Gästen über die letzten 10 Jahre erfahren hat. Als das Fest dann startet, ist alles wie immer, aber doch irgendwie anders. Hat das Fest in den letzten Jahren zwar schon immer einen vielseitigen Mix aus bekannten Künstler*innen sowie neuen Geheimtipps präsentiert, scheinen in diesem Jahr vielen Gästen die großen Mainstream-Namen zu fehlen und das 2023-Line-Up wird kritisch beäugt. Neben Maximo Park und der, erst bei Festivalbeginn bekanntgegebenen, Sonntags-headlinerin Nina Chuba, die vor allem ein junges Publikum begeistern konnte, ist das Programm auf der Hauptbühne in diesem Jahr deutlich ausgefallener als sonst. Mit dem Ezra Collective spielt am Freitag um 20 Uhr eine herausragende, britische Jazzfusionband und hat dabei die schwere Aufgabe, das Publikum gänzlich ohne Gesang mitzureißen – was mit Bravour gelingt. Zwischen den Songs machen die Brüder TJ und Femi Koleoso immer wieder Ansagen, um die Hintergründe ihrer Musik zu erklären und bitten die Gäste, das Leben zu feiern, was diese sich nicht 2x sagen lassen. Am Samstag zur Mittagszeit hingegen hält der Italo-Schlager Einzug am Strand. Roy Bianco und die Abbrunzati Boys packen ihre, vor Kitsch nur so triefenden Hymnen „Bella Napoli“ und „Quanto Costa“ aus, das ist so schräg, dass man das insgeheim gar nicht mögen möchte, aber die erstaunlich gute Live-Band schafft es im Handumdrehen, wirklich jeden auf dem Platz abzuholen, mitzunehmen und tief in den Schlagerstrudel zu reißen – und das bei knallendem Sonnenschein, bevor um 15 Uhr der erste Wolkenbruch des Wochenendes für einen kleinen Dämpfer sorgt. Schon in den vergangenen Jahren gab es auf den kleineren Nebenbühnen immer mal wieder Musik, die nicht für jede*n ist, die provoziert, die einen speziellen Geschmack erfordert. In diesem Jahr zieht die Provokation auf die Hauptbühne. Samstag 18:00 Uhr. Peaches. Die feministische, sex-positive Künstlerin aus Kanada ist eine Koryphäe in ihrem Gebiet und seit fast 30 Jahren auf den Bühnen der Welt aktiv. Viel nakkte Haut, provozierende Kostüme, anrüchige Choreografien, direkte Texte und stumpfe Elektrobeats sind für einige Besucher*innen in Dangast zu viel – besonders die Männer scheinen an dieser Stelle mit dem Dargebotenen komplett überfordert. Aber in ein paar anfangs zweifelnden Gesichtern lässt sich nach und nach auch ein Verstehen erkennen. Peaches sucht immer wieder den direkten Kontakt zum Publikum, um ihre Botschaften zu teilen und bedankt sich am Ende sichtlich gerührt dafür, dass die Eltern auch ihre Kinder haben zuschauen lassen. Mit trockenen Beats geht es auf der Hauptbühne weiter, denn die Sleaford Mods aus England packen ihre noch trockeneren Reime aus – definitiv keine Musik für den Mainstream, dennoch funktioniert es in Dangast erstaunlich gut. Das Publikum lässt sich drauf ein, was auch für eine erstaunlich gute Laune bei Jason Williamson und Andrew Robert Lindsay Fern sorgt, die sich sonst lieber hinter schummerigem Licht und dicken Nebelschwaden verstecken, statt bei prallem Sonnenschein am Strand zu spielen. Mit dem krankheitsbedingten Ausfall von Róisín Murphy, die von vielen sehnlichst erwartet wurde, stand das Festivalteam vor der Herausforderung, sehr schnell einen neuen Headliner zu finden. Diese Aufgabe übernahm DJ Koze – auch ein reines Elektroset auf der Hauptbühne zur Primetime hat es so beim Festival noch nicht gegeben. Und was soll man sagen? Es hat funktioniert. Der Sonntag verläuft, mit Ausnahme der Post-Punker von Ditz, die die Palettenbühne im wahrsten Sinne des Wortes auseinandernehmen, zahm. Wirklich herausfordernd am Sonntag ist das Wetter. Sonne, Starkregen, Sonne, Starkregen und ein kurzes Gewitter, das während zumindest musikalisch relativ Fatonis Set zur Evakuierung des Geländes führt, verlangen dem Publikum einiges ab und lassen eine Handvoll Gäste verfrüht abreisen. Spätestens zu Maximo Park ist es allerdings wieder gut voll vor der Hauptbühne. Die britischen Indierocker schaffen es auch nach vielen Jahren in der Branche noch, die Gäste zu verzücken. Energetisch wie zur Höchstzeit ihrer Popularität im Jahr 2007 spielen sie sich durch die alten Indiedisco-Hits, aber auch das neue Material klingt durchaus gefällig. Mit Nina Chuba übernimmt schließlich eine 24-jährige junge Frau die Headlinerinnenaufgabe und auch, wenn die sehr moderne Musik und die jungen Themen nicht jeden Geschmack treffen - eine Show machen, das kann sie. Obwohl also das Line-Up, wenn man sich zwischen den Gästen umgehört hat, in diesem Jahr nicht so gut ankam, wie in den Festivalausgaben zuvor, scheinen die Veranstalter trotzdem alles richtig gemacht zu haben,. Bereits am Montag nach dem Festival waren die Tickets für 2024 ausverkauft – in bahnbrechenden 5 Minuten. Gut für die Veranstaltenden, schlecht für jene, die ihre Chance verpasst haben. In den Kommentaren auf Social Media macht sich dabei zunehmender Unmut breit und Kritik am Ticketsystem wird ausgeübt. So wäre es für die Zukunft durchaus sinnvoll, das Vergabesystem zu überdenken, den Vorverkauf zu staffeln oder auch Karten in den stationären Handel zu geben, um mehr Chancen zu schaffen, einer der nächsten 6000 Gäste auf dem WES zu werden.

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