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Hass-Mails von „richtigen Deutschen“20.12.2022



Er hat ihnen allen geantwortet. Den verpeilten, denen mit Mordphantasien. Anfang Dezember war der Autor im Evangelischen Bildungshaus Rastede zu Gast.
Hasnain Kazim wurde 1974 in Oldenburg geboren und ist Sohn indisch-pakistanischer Einwanderer. Er wuchs im Alten Land und in Karatschi auf, studierte Politikwissenschaften, war Marineoffizier, dann Auslandskorrespondent des Magazins Spiegel in Islamabad und Istanbul. Jetzt lebt er als freier Journalist in Wien. Er wurde getauft („ich war der Dunkle der heiligen drei Könige“) und ist inzwischen konfessionslos. Der Hass der „echten Deutschen“ trifft ihn ungebremst. Er pariert mit Humor.
Auch während der Lesung in Rastede wird viel gelacht. Als Junge habe er sich nicht prügeln können, erzählt Kazim. „Ich war klein und schmächtig, ich hätte immer verloren.“ Als Mann des Wortes gewinnt er. Also alles gut? Nein, ganz und gar nicht. Denn die Mails, die Kazim vorliest, sind gallig und gemein. Sie tun richtig weh. Und daher ist es ein vergifteter Spaß. „Hass und Hetze machen mir keine Freude“, stellt er klar, nachdem er sein Publikum mit „Grüß Gott, Moin, Servus und Salam“ begrüßt hat. Mit Humor zu reagieren, das sei sein persönlicher Weg und kein Geschäftsmodell, wie manche vermuteten. „Das Thema ist zu mir gekommen, mit meinem Namen, der fremd klingt.“  Das erste Mal, dass er richtig Angst hatte, war im August 1992, als eine aufgebrachte Meute Brandsätze in ein Wohnheim für vietnamesische Vertragsarbeiter in Rostock-Lichtenhagen warf. „Da wusste ich, mein Anderssein kann lebensgefährlich werden.“ Kazim war 17 Jahre alt, schrieb einen Leserbrief an die Zeitung und er hielt die ersten Hassbriefe. Es war seine Französischlehrerin, die ihm sagte: „Lass dich niemals von diesen Leuten einschüchtern.“ Ihrem Rat folgt er bis heute.
Kazim richtet sein Headset und listet weitere Höhepunkte kollektiver Fremdenfeindlichkeit auf. 2010, nachdem Thilo Sarrazin behauptet hatte: „Deutschland schafft sich ab“. 2015, als rund eine Million Flüchtlinge nach Deutschland kamen. 2017, als die AfD in den Bundestag einzog.
Nach nahezu jedem Text, den Kazim im Spiegel veröffentlichte, trafen ihn die Auswüchse unreflektierter Aggression. Er antwortete. Die Korrespondenz heftete er im eigens angelegten „Trottelordner“ ab. So entstand die Idee, ein Buch daraus zu machen.
Der titelgebende Karlheinz nannte ihn in seiner ersten Mail einen „antideutschen Schmierfink“ und bot an: „Komm du Schreiberling zu mir, dann zeige ich dir, was ein echter Deutscher ist.“ Kazim bedankte sich für die Einladung und kündigte an, er komme sehr gerne und habe auch seine drei Ehefrauen und sämtlichen Anhang im Gefolge. „Wir alle freuen uns, von Ihnen zu lernen, was ein echter Deutscher ist.“ Karlheinz fragte: „Soll das ein Witz sein?“ Kazim entgegnete: „Keineswegs.“ Er werde auch Ziegen mitbringen, die er im Garten schächten wolle. „Denken Sie bitte an einen Wasserschlauch.“
Dr. Friedrich M., Volljurist, brachte seine Feindseligkeit auf 20 Seiten in gestochener Beamtensprache zum Ausdruck und schlussfolgerte: „Eine Ratte, die in einem Pferdestall geboren wird, bleibt noch immer eine Ratte.“ Kazim antwortete: „Sie bleiben für immer ein Vollidiot. Mit freundlichen Grüßen. Kazim. Atommacht.“
Rund 90 Prozent der Briefschreiber seien Männer, erzählt Hasnain Kazim. Auch von einigen Linken werde er kritisiert. „Denen bin ich zu weiß.“ Manche kreideten ihm seine Bundeswehrzeit an.
Inzwischen antwortet er kaum noch auf die Wut-Post. Die Briefwechsel erschöpften ihn. Er stehe auf Todeslisten, hat er herausgefunden. Das mache ihm Sorgen. Zurückziehen aber werde er sich nicht. „Ich werde diese Leute nicht gewinnen lassen“, sagt er zum Schluss. Es gibt langen Applaus.

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