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Eine Schifffahrt ohne Reue20.07.2022





Lange haben es die Schiffsbetreiber versäumt, um- weltfreundliche Antriebstechniken zu entwickeln. Die Kreuzfahrtschiffe sind wieder unterwegs in alle Welt, auch Familien freuen sich über opulente Kinderbelustigungen und Programme.Wie sieht es jedoch mit den Emissionen aus? Ganz langsam kommen die maritimen Abgasprobleme in den Fokus von Umweltbehörden und Schiffsbau-Technikern. Reduzierungen in Form von Abgasreinigungen etwa oder durch den Einsatz von schwefelreduzierten Treibstoffen statt des üblichen Schweröls sind mögich. Allerdings kommen solche Maßnahmen nur schleichend langsam voran. Wie also weiter? Ideen dazu gibt es viele.
Die internationale Schifffahrt ist weltweit für den Ausstoß von etwa einer Milliarde Tonnen Kohlendioxid verantwortlich. Das entspricht drei Prozent der gesamten Emissionen. Kreuzfahrtschiffe etwa stoßen pro Tag so viel CO2 aus wie 84000 Autos. Dazu kommen dann noch 15 Prozent der weltweiten Stickoxidemissionen und rund 13 Prozent Schwefeldioxid. Und natürlich große Mengen Ruß- und Staubpartikel. Alles zusammen sorgt für große Umwelt- und Gesundheitsfolgen. Besonders für die Hafenstädte der Welt, meist gleichzeitig große Ballungsräume, sind dies große Schadstoffquellen.

Mit der Kraft des Windes
Die Kraft des Windes als Antrieb für die Schifffahrt ist seit Jahrtausenden bekannt. Moderne Zugdrachen ‚ernten‘ diese Kraft. Die Drachen werden am Bug der Schiffe befestigt und fliegen dann in etwa 500 Metern Höhe vorweg. Dort nutzen sie die starken Höhenwinde. Der Zusatzantrieb kann je nach Route zwischen fünf und 25 Prozent Treibstoff einsparen. Die Technik ist in der Praxis gut bekannt, wird aber bisher nur von sehr wenigen der vielen Tausend Schiffe auf den Weltmeeren genutzt.
Ebenfalls den Wind nutzt eine andere Technik: der Flettner-Antrieb. Anton Flettner entwickelte 1925 den Prototyp dieses besonderen Antriebsrotors. Ein hoher Zylinder, er sieht auf dem Schiff aus wie ein großer Schornstein, nutzt den Druckunterschied im Inneren und kann so helfen, ein Schiff anzutreiben. Zwischen zehn und zwanzig Prozent des Treibstoffs wird damit gespart. Die Reederei „Scandlines“ setzt seit einiger Zeit mit der „Copenhagen“ und der „Berlin“ Fähren mit dieser Rotortechnik ein. Und die weltweit operierende Windfirma Enercon aus Aurich hat bereits im Jahr 2006 ein Frachtschiff für den Transport von Windenergieanlagen und deren Flügel in Kiel und Emden bauen lassen. Das 130 Meter lange „E-Ship 1“ verfügt über vier Flettner-Rotoren. Es lief schon am 2. August 2008 vom Stapel.

Nischenprodukte
Ein besonderes Projekt zur Nutzung der Kraft des Windes betreibt seit 2017 die kleine Bremer Firma „Slokoffie“. Sie importiert und röstet hochwertigen Kaffee.
Über 9000 Kilometer liegen zwischen den Kaffee- bauern in Honduras und Bremen. Bei Slokoffie wird die Strecke mit einem Segelfrachter abgefahren. So spart das kleine Unternehmen insgesamt 90 Prozent der CO2-Emisionen. Die Fahrt ‚unter vollen Segeln‘ wird von „Timbercoast“ durchgeführt, einer Organisation deren Ziel es ist, Produkte möglichst klimaneutral zu transportieren. Und so machen sich neben vielen anderenWaren auch viele Säcke mit Kaffee auf den Weg nach Bremen.

Flüssiggas
Eine Alternative zum dreckigen Schweröl ist auch der relativ saubere Einsatz von Flüssiggas (LNG – Liquid Natural Gas). Mit diesem Gas als Antrieb enthalten die Abgase 90 Prozent weniger Schwefeldioxide und Stäube. Das klimaschädliche CO2 wird allerdings nur um rund 15 Prozent reduziert. Beim Klimaschutz hilft LNG also nicht besonders viel. Und natürlich braucht die Schifffahrt für den großflächigen Einsatz ein ausgebautes Tankstellensystem. Da die Energiedichte von Flüssiggas geringer ist, brauchen solche Schiffe recht große Tanks. Einige Reeder rüsten ihre Schiffe inzwischen auf diese Energieform um.
Auch durch Filteranlagen im Abgasstrom besteht die Möglichkeit, den schädlichen Ausstoß zumindest ein wenig in den Griff zu bekommen. Am leichtesten lässt sich Sprit, genau wie beim Autoverkehr sparen, wenn die Schiffe langsamer fahren. Da sind bis zu 50 Prozent Treibstoffeinsparungen drin. Aber Zeit ist Geld. Die Zahlen von Schiffen, die solche Maßnahmen, zusätzliche Antriebe oder zumindest etwas umweltfreundlichere Betankungen nutzen, sind nach wie vor klein. Das wird sich nur ändern, wenn eine politische Steuerung durch höhere Energiepreise oder schärfere Umweltauflagen erfolgt.

Wasserstoff
Wasserstoff oder (dann inVerbindung mit CO2) Methan ist, wie in vielen Bereichen, vom Autoantrieb über die Luftfahrt bis zur Stahlerzeugung, auch in der Schifffahrt eine große Hoffnung. Das synthetische Gas (SNG) ist aber nur dann umweltfreundlich, wenn es mit Hilfe von Strom aus Windkraftwerken oder Solaranlagen hergestellt wird. So ließe sich der Schiffsbetrieb letztlich CO2 neutral bewerkstelligen. Fast unbemerkt wurde solch ein Projekt kürzlich in Brunsbüttel Wirklichkeit. Dort wurde der 150 Meter lange Containerfrachter „Elbblue“ mit 20 Tonnen SNG, hergestellt aus umweltfreundlichem Strom, befüllt.
Mit der „Nordlicht II“ hat die Fährrederei AG Ems in Emden einen Katamaran für denVerkehr mit Borkum und Helgoland in Dienst gestellt. Das Schiff kann bis zu 450 Passagiere befördern und ist mit einer Höchstgeschwindigkeit 34 Knoten unterwegs.
Aber die Sache hat einen schwerwiegenden Haken: synthetisches Gas gibt es bisher nur in sehr geringen Mengen. Um die zu erhöhen, wären deutlich mehr Wind- und Solarkraftwerke nötig, damit man die Grundenergie Strom für die Gasproduktion erzeugen kann. Bis das für die weltweit rund 50000 Handels- und Tourismusschiffe reicht, von den vielen anderen Hoffnungsfeldern für den Einsatz umweltfreundlichen Wasserstoffs einmal ganz abgesehen, ist es noch ein langer Weg.

Motoren aus im Hafen
Besonders Kreuzfahrtschiffe erzeugen auch in den Häfen große Abgasmengen. Denn auch dort wollen die Gäste nach der Stadtbesichtigung warme Duschen, üppiges Essen und beleuchtete Innenräume vorfinden. Dazu müssen die Motoren in Betrieb bleiben. Die Alternative: Landstromanschlüsse. In einigen Häfen, etwa in Hamburg oder seit dem letzten Jahr in Kiel, wurden solche Landstromanschlüsse für die Kreuzfahrtriesen von den Hafenbetreibern mit hohem Kostenaufwand eingerichtet.Aber bei den Reedern kommt das Angebot bisher nicht wirklich an. Denn um Landstrom beziehen zu können, müssen die Schiffe entsprechend ausgerüstet sein. Da ist es dann offensichtlich einfacher, mehr Schweröl zu bunkern und die Motoren und damit deren Abgase selbst in den Hafenstädten durchlaufen zu lassen. In Hamburg sollen jetzt auch für Fracht- und Containerschiffe Landstromanlagen in den Terminals Tollerort und Burchardkai gebaut werden. Sie könnten bis 2023 in Betrieb gehen. Die erste Landstromanlage am Kreuzfahrtterminal Altona besteht seit 2015. Sie wird derzeit nur selten genutzt.

Text : Joachim Mittelstaedt

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