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18%02.07.2022
Das Gute einmal vorweg: Das Hurricane Festival 2022 hat mit seinem Line-Up zumindest ver- sucht, Bands mit FLINTA* (Frauen, Lesben, intersexuelle, nicht-binäre, trans und agender) Personen zu buchen. Und die Künstler*innen, die da waren, waren sehr gut und vielschichtig ausgewählt. Bei der Pressekonferenz beteuerten die Veranstaltenden, künftig eine „Frauenquote“ von 50% anzustreben, in diesem Jahr waren es gerade einmal 18%. Ein nobles Ziel, das mit Sicherheit durch Bookingschwierigkeiten, Zeitplanüberschneidungen der Künstler*in- nen und anderen Faktoren nicht leicht umzusetzen ist. Es liegt eben nicht alles in der Macht der Veranstaltenden. Was sie jedoch beeinflussen können, ist der Timetable des Festivals, also die Reihenfolge und die Orte, an denen die Bands spielen. Das Hurricane gehört mit vier Bühnen, die den ganzen Tag be- schallt werden, zu einem der größten Festivals Deutschlands. Damit sich die Bühnen nicht permanent überschallen, muss Abstand her. Das bedeutet, dass es in der Mitte des Geländes die beiden Hauptbühnen, die Forrest Stage und die River Stage gibt und an den Rändern die Mountain Stage sowie die Wild Coast Stage, ein gigantisches Zelt. Für die letzteren Bühnen müssen die Gäste weite Wege in Kauf nehmen, wodurch sie durch den engen Zeitplan riskieren, Bands auf den anderen Bühnen zu verpassen. Ergebnis: die Bühnen am Rand sind nur in Ausnahmen wirklich stark frequentiert. Ein weiterer Faktor der die Besuchszahlen vor den Bühnen bestimmt, ist das Zeitfenster, in dem die Musiker*in- nen auftreten. Ganz selbstverständlich läuft es abends, wenn der Kater auskuriert ist, besser als mittags. Nun hat das Hurricane Festival also spannende Bands mit FLINTA*-Personen im Programm, aber wann und wo treten diese eigentlich auf? Genau. Früh und auf den äußeren Bühnen. Denn selbstverständlich bestehen die großen Headliner an allen drei Festivaltagen nur aus Männern. Den besten Slot, den eine Frau an diesem Wochenende kriegt, ist der von Charli XCX am Freitag um 19:45 Uhr auf der River Stage, ansonsten ist nach 18 Uhr keine Spur mehr von Vielseitigkeit zu sehen.Viele der Künstler*innen sind im Mainstream eher unbekannt, dennoch verdienen sie eine Chance, auch vor größerem Publikum aufzutreten, denn als Festivalveranstalter in dieser Größenordnung hat man auch eine gewisse Macht, die Auftretenden einer breiteren Masse vorzustellen. Bei der vorliegenden Planung des Festivals ist es wahrscheinlich, dass hauptsächlich Menschen den Weg zu den weit abgelegenen Bühnen auf sich nehmen, die die Band eh schon kennen. Wenn es FLINTA* dann doch auf die Hauptbühnen schaffen, dann zu so früher Stunde, dass die Gäste noch gar nicht wach sind, oder im Fall von Schrottgrenze, noch nicht mal auf das Gelände gelassen werden, sodass wegen des engen Zeitplans auf der Forest Stage vor wirklich komplett leerem Infield gestartet werden muss. Mit Brutus folgt dort eine außergewöhnliche belgische Gruppe, bei der Sängerin Stefa- nie Mannaerts gleichzeitig auf das Schlagzeug drischt, wie kaum ein*e andere*r. Hätten viele Festivalgäste bestimmt super gefunden, war nur kaum jemand wach. Den Höhepunkt bildet der Sonntag, an welchem großartige Acts wie Press Club, Hot Milk, Blond, Nura und Alice Merton teilweise zeitüberschneidend spielen. Dabei zeigen Künstlerinnen wie Nura, die um 13 Uhr auf der Mountain Stage quasi alles in Extase versetzt, bestens, dass ein späterer Slot auf einer der Hauptbühnen mehr als angebracht gewesen wäre. Vielleicht im Tausch mit K.I.Z., von denen man halten mag, was man will. Dort wurden die ersten Reihen überwiegend von jungen Mädchen besetzt, da im Anschluss TwentyonePilots als Headliner auf der gleichen Bühne spielen würden. Heftiger Pogo und drei Jahrgänge von unerfahrenen Menschen die noch nie bei einem Festival waren, führten an dieser Stelle zu so vielen Unfällen, dass sich Verletzte wartend hinter der Bühne aufreihten, für einige endete dieser Abend im Krankenhaus. Eine Konzertunterbrechung wäre an dieser Stelle dringend von Nöten gewesen, fand aber nicht statt.
Trotzdem ist nicht alles schlecht gewesen beim Hurricane 2022. Nach 2 Jahren Zwangspause merkt man den fast 80.000 Gästen an, dass etwas ganz Wichtiges gefehlt hat. Es ist kollektive Ausgelassenheit, die das Festivaldasein bestimmt und das bei bestem Wetter. An dieser Stelle ist die Trinkwasserversorgung auf dem Festivalgelände lobend zu erwähnen. Während die Preise für Nahrung und Getränke aller Art in den letzten Jahren explodiert zu sein scheinen, ist für gratis Trinkwasser an sehr vielen gut zugänglichen Stellen gesorgt. Bis auf den Auftritt von K.I.Z. hatten Securities und Sanitäter außerdem das Geschehen gut im Griff, sodass die meisten Menschen genau das tun konnten, wofür die gekommen waren: die gute Musik genießen, denn die Künstler*innen hatten nach so langer Zeit ohne Festivals richtig Lust wieder zu spielen.
Text und Fotos: Thea Drexhage
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