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„Drei Kameradinnen“ von Shida Bazyar15.06.2022
MoX: Wovon handelt der Roman?
Jörg Kowollik: Es geht um drei junge Frauen, die auf irgendeine Weise eine Migrationsgeschichte haben und zusammen aufgewachsen sind als Freundinnen. Nach einiger Zeit treffen sie sich wieder, um zu einer Hochzeit zu fahren. Dort reflektieren sie zum Teil über ihre Kindheit, aber auch tagesaktuelle Geschehnisse. Dabei geht es auch um rechten Terror oder das Leben als Mensch bzw. Frau mit Migrationsgeschichte in Deutschland. Dabei entwickelt das Buch einen spannenden Drive. Es startet bei dieser netten Geschichte, wo sich alle wiedertreffen und driftet dann in ein dramatisches Spannungsfeld. Es zeigt die Geschichte einer Protagonistin, die eher ihre Wut über ihre Ungerechtigkeitserfahrungen nach außen trägt und einer anderen, die eher beschwichtigend ist und die Person, die dazwischen steht. Es ist gekoppelt mit Prozessen, die sehr wahrscheinlich an die NSU-Prozesse angelehnt sind, das entwickelt eine sehr starke Spannung. Mich faszinieren dabei die persönlichen Geschichten der Protagonistinnen, wie die, in der eine von ihnen als Jugendliche Besuch bekommt von einer ihrer Tanten. Beide fahren mit dem Bus einkaufen in einen Elektromarkt und stoßen schon dort auf erste rassistische Erfahrungen, wie dass sie vom Busfahrer beschuldigt werden, schwarzfahren zu wollen, obwohl sie noch keine Gelegenheit hatten ein Ticket zu kaufen. Das ist das erste Mal, dass diese Jugendliche diese Vorurteile wahrnimmt. Da fangen dann Prozesse des Nachdenkens und der eigenen Identität in dieser Gesellschaft an, die stark geprägt ist von Diskriminierung und Rassismus. Dazu muss man auch sagen, dass das Buch keine einzige große Anklage ist, sondern sehr reflektiert geschrieben wird.
MoX: Was hat Ihnen besonders gut gefallen?
Jörg Kowollik: Ich finde das Buch sehr spannend, weil die Autorin es in meinen Augen sehr gut schafft, aus der Perspektive von drei jungen Frauen auf die deutsche Gesellschaft zu blicken. Die Leser*innen können dabei sehr gut in die Welt dieser Frauen eintauchen, sowohl in die Kindheit und Jugend als auch in die Zeit, in der es darum geht, sich im Berufsleben zu positionieren. Diese Einblicke, die immer wieder reflektiert werden und auch die Darstellung der Freundschaft, sind sehr gelungen. Es ist im Prinzip eine Mischung aus Lebensfreude und Lebensgefühl und gesellschaftlicher Realität, die strukturell die Lebenserfahrungen erschweren. Das ist auch für meine Arbeit hier in der Jugendkulturarbeit sehr spannend, da wir hier das Ziel haben, Teilhabe für alle zu ermöglichen. Das Buch ist kein Bildungsroman, trotzdem kann ich daraus wertvolle Dinge ziehen.
MoX: Wie haben Sie den Roman gelesen?
Jörg Kowollik: In Papierform. Aufmerksam bin ich darauf geworden über ein Interview im Deutschlandfunk Kultur, wo sehr viel über den Titel philosophiert wurde. Die Autorin hat sich für diesen Titel entschieden, um Räume zu besetzen, die sonst von Männern oder gar rechten Gruppen dominiert sind. Es ist ein Roman, der u.a. Einwanderungsgeschichte und die damit einhergehenden Problematiken aber auch Chancen aufgreift.
Interview und Foto: Thea Drexhage
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