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Kudamm32
Berliner Geschichte trifft auf Zeitgeist27.12.2021
Text und Fotos: Horst E. Wegener
Am Vorzeigeboulevard der Hauptstadt, dem Kurfürstendamm, können Berlins Flaneure seit kurzem gleich drei Traditionsunternehmen unter einem Dach aufsuchen: In den Räumlichkeiten des ehemaligen Flagship-Stores des verstorbenen Promifriseurs Udo Walz, Ecke Grolmann- und Uhlandstraße, haben auf mehr als 500 Quadratmeter der Pralinenhersteller Sawade, die Königliche Porzellan-Manufaktur (KPM) und Einstein Kaffee ihre gemeinsame City-West-Dependance eröffnet. Zwar verfügen alle drei Firmen auch über die heutzutage überlebensnotwendigen Onlineshops, gleichwohl mag niemand den Mehrwert eines Ladengeschäfts missen. Um es mit Sawade-Chef Benno Hübel zu sagen: Das Berliner Traditionshandwerk hat mit der Eröffnung dieser gemeinsam betriebenen Ku’damm-Repräsentanz im Haus Nummer 32 „eine präsentable Bühne in der Stadt bekommen“. Allerdings wäre aus Sicht von Berlins ältester Pralinenmanufaktur diese Neueröffnung vor gut einem Jahr schon allein deshalb undenkbar gewesen, weil die Sawade-Eigner Benno und Melanie Hübel damals mit einer Insolvenz in Eigenverwaltung zu kämpfen hatten. Doch dann stieg ein neuer Investor ein, im Februar dieses Jahres war das 1880 gegründete Unternehmen raus aus der drohenden Pleite. Und jetzt? Der geheimnisvolle Investor, dessen Name nicht öffentlich bekannt gemacht wurde, ist Sawade erhalten geblieben – und mit deren neu eröffneter Nobeldependance am Ku´damm kommen die Hübels auf summa summarum sechs Läden in der Hauptstadt. Als Schokoholics dürfen wir uns beim Eintreten in den Genuss-Tempel der Pralinenmanufaktur wie im siebten Himmel fühlen. Die Produktauslagen lassen keine Wünsche offen: Feinste in sorgfältiger Handarbeit hergestellte Pralinen in allen erdenklichen Formen, Farben und Geschmäckern erschweren die Auswahl. Geigelt, gefüllt, mit Alkohol oder ohne, Fruchtfüllung oder feinstes Marc de Champagne, kleine Nüsschen bestücken die Schau- und Verkaufsvitrinen. Die zauberhaften Schächtelchen mit Berlin-Motiven wie dem Fernsehturm, dem Berliner Bären oder auch der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche sind begehrte Geschenkideen und lohnenswerte Mitbringsel. In einem der vielen Schaufenster des Stores hat man aus Pappe das Sawade-Stammhaus Unter den Linden aufgebaut, wird uns die mehr als 140-jährige Geschichte der Manufaktur näher gebracht. Und die Rückbesinnung auf die Anfänge verdeutlicht, dass zu jeder Zeit Hingabe und Liebe fürs Erschaffen sündiger Köstlichkeiten im Spiel gewesen sein dürfte: Zu Beginn in Form von handwerklicher Begeisterung, mit der ein junger Mann namens Ladislaus Maximilianus Ziemkiewicz im fernen Paris aufsog, was man übers Konfekt herstellen lernen konnte. Mit diesem umfassenden Schokoladenwissen in der Tasche entschied er sich anno 1880 sein erstes Geschäft für handgefertigte Pralinen in Berlin zu eröffnen. Die Adresse Unter den Linden 18 kam einem Glücksgriff gleich – schon allein, weil im Haus nebenan die schöne Marie de Savadé residierte. Nachdem Ziemkiewicz sie zur Namenspatronin seiner Konfiserie erkor, revanchierte sich die in der feinen Berliner Gesellschaft bestens vernetzte Madame, indem sie die Kreationen ihres Nachbarn weiterempfahl. Prinz Georg von Preußen und der Großherzog von Sachsen-Weimar-Eisenach ernannten den Konfektmacher zum Königlichen Hoflieferanten. Nach wie vor schwört man bei Sawade auf Handarbeit, werden ausschließlich naturbelassene Zutaten wie echte Butter und frische Sahne, Edelkakao, Bourbon-Vanille, bestes Marzipan, feinstes Nougat, karamellisierte Nüsse, hausgemachte Ganaches, Zartbitter- und Vollmilchkuvertüre oder weiße Schokolade verarbeitet. Verpackt wird der exquisite Gaumenschmaus in hübsch designte Schachteln in Violett, Blau oder Gelb, die innen ein marmoriertes Muster tragen. Ein Muss für Sawade-Neulinge ist die „Königin Luise Praline“ – eine Kreation, die aus fünf mit Zartbitterschokolade überzogenen Schichten aus Edelmarzipan, Butter-Trüffel, Mandel-Nougat, Nuss-Nougat und Krokant besteht, zu Recht beim Praline International Chocolate Award ausgezeichnet. Und somit eine der besten Pralinen der Welt.
Diese Wertschätzung von Sawade-Köstlichkeiten, deren Extraklasse durch Prämierungen fortwährend unterstrichen wird, kann die Königliche Porzellan-Manufaktur ebenfalls für sich in Anspruch nehmen. Am historischen Firmensitz im nahen Tiergarten werden seit 1793 sämtliche Vasen, Figuren oder das Tafelgeschirr von Hand gefertigt und bemalt. Und den Hang zum Außergewöhnlichen spiegelt die Innenarchitektur des KPM Store-Bereichs am Ku’damm wider, für dessen Wände beispielsweise bei der Manufaktur Welter Unikate aus Porzellanmehl, Kreide und Lehm geordert wurden, um daraus dreidimensionale Paneele herzustellen. Zum Spagat aus Berliner Geschichte und Zeitgeist schwingen sich KPM-Handwerker mittlerweile auf, indem sie etwa To-Go-Becher aus Porzellan fertigen und diesen das berühmte klassizistische Kurland-Relief aufprägen. Wer sich ins Gedächtnis ruft, dass deutschlandweit stündlich ungefähr 320 000 Kaffee-to-go-Einwegbecher benutzt und weggeworfen werden, errechnet daraus pro Jahr fast drei Milliarden Pappbecher – die anteilig auch aus Kunststoff bestehen und somit Rohöl zur Herstellung benötigen. Kein Wunder, dass die KPM-Alternativen in weiß oder schwarz inklusive Lederbanderole und Deckel als Mitbringsel, Umweltretter und Hingucker begehrt sind. Befüllen ließe sich der Kurland-Becher vor Ort auch mit einer Melange aus dem Hause Einstein. Deren Gründung reicht ins Jahr 1978 zurück, als die passionierte
Kaffeehausgängerin Ursula Bachauer aus Graz beim Bummeln durch West-Berlins Bezirk Charlottenburg die leer stehende Villa der früheren Stummfilmdiva Henny Porten entdeckte und erkannte, dass man den klassizistischen Bau wunderbar als Kaffeehaus etablieren könnte. Zu jener Zeit war guter Kaffee in West-Berlin nichts, worüber es sich nachzudenken lohnte. Für derlei Heißgetränke mehr als 2,50 Mark auszugeben, hielt man für Geldverschwendung. Diese Zeiten haben sich grundlegend geändert. Längst gibt es immer mehr Menschen, die auf perfekte Röstung der Bohnen Wert legen und bei Einspänner nicht nur an eine Kutsche denken. Zum nach wie vor existierenden Café-Einstein-Stammhaus in der Kürfürstenstraße sind im Lauf der Jahre zig Filialen neu dazugekommen; die brandneue Dependance am Ku´damm 32 lässt die Kaffeehauskette zusammen mit KPM und Sawade auf mehr als 400 Jahre Tradition verweisen. Ein Anspruch, aus dem die drei beteiligten Unternehmen künftig ihr gemeinsames Label Metropol-Marke ableiten – als Experten des alltäglichen Luxus und gehobener Genussmomente.
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