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Na klar, der Papa zahlt27.10.2021



Text und Foto: Britta Lübbers
Schwarzer Anzug, rote Turnschuh, schwarzrotes Basecap: Lässig sieht Jan Brandt aus, wie er da auf der Bühne im PFL sitzt. Lässig ist auch der Beginn der Lesung. „Ich muss noch den letzten Satz schreiben“, lächelt er und tippt eine Zeile in den Laptop. Aber so cool, wie es wirkt, ist es nicht. Er tue sich schwer mit dem Anfangen, wird der Journalist und Schriftsteller, der mit seinem Romandebüt „Gegen die Welt“ Furore machte, später erzählen. Dadurch gerate er fast immer in Zeitnot. Das Manuskript über eine Begegnung mit seinem Schriftstellerkollegen Klaus Modick hat er erst in der Nacht fertiggestellt. „Ich kenne den Text auch noch nicht“, sagt Literaturhaus-Leiterin Monika Eden, die die Lesung moderiert. Das sei neu und spektakulär.
Im Herbst 2020 bereiste Jan Brandt als Landgang-Stipendiat des Literaturhauses Oldenburg die Region, um aus dem Erlebten Literatur zu machen. Wegen Corona musste er seinen Plan aufgeben, sich spontan mit Menschen zu treffen. Also suchte er sich gezielt für jeden Ort Paten und verfasste die Gangland-Chroniken. Für die Kontaktaufnahme in Oldenburg wollte er sich ursprünglich „wie alle anderen in der Wallstraße abschießen“. Aber es ging auch nüchtern. Die Gegend ist Brandt nicht fremd. Er wuchs in Ihrhove bei Leer auf (ein Ort, den er als 18-Jähriger am liebsten abgefackelt hätte), bevor er nach Köln, Berlin und London zum Studieren und nach München auf die Deutsche Journalistenschule ging.  In Oldenburg traf er sich mit Klaus Modick. Obwohl ihn Branchenkenner vorgewarnt hatten. Modick sei ein harter Knochen, ein totaler Eigenbrötler, mit ihm sei nicht zu spaßen. Und überhaupt, was wolle er von ihm? „Modick schreibt ein Buch nach dem anderen. Ich wollte wissen, wie er das macht“, so die Antwort.  Brandt versuchte vorab, dem Erfolg des anderen auf die Schliche zu kommen. Er kaufte sich dessen Romane, las die Anfänge und blieb ratlos. Erst durch die Lektüre eines Büchleins über Leonard Cohen fand er den Schlüssel: „Indem Modick über andere schreibt, schreibt er über sich selbst.“ Die zwei Autoren verabreden sich zum Gang durch die Innenstadt. Sie schlendern durch die Fußgängerzone, vorbei an Menschen, die vor Tauben fliehen, an Tauben, die vor Menschen fliehen und an Tauben, die vor Tauben fliehen. Modick zeigt Brandt die Schlosshöfe – „das größte Verbrechen der Stadt“. Oldenburg habe sich selbst kastriert, meint Modick. „Hier hat der Wohlstand mehr kaputt gemacht als der Krieg.“ Brandt findet Modick offen und zugewandt. Und sie haben einiges gemeinsam. Beide waren Stipendiaten der Villa Aurora in Los Angeles. Beide hassen Autostädte und lieben die Literatur. Beide mögen die Band „A-ha“. Beide haben ein durchaus gespaltenes Verhältnis zur Provinz. Beide schreiben mit feiner Ironie. „Bei Modick steht alles am richtigen Platz“, lobt Brandt. Das trifft aber auch auf ihn zu.
Als Modick im „Barcelona“ um die Rechnung bittet, sagt die Kellnerin: „Na klar, der Papa zahlt.“ Er hätte ihn gerne als väterlichen Freund, bekennt Brandt. „Ich hoffe, dass ich mich bei ihm angesteckt habe. Nicht mit Corona, aber mit der unbändigen Lust aufs Erzählen.“ Und dann liest er den letzten, vor einer Stunde getippten Satz. Es ist eine Songzeile von Leonard Cohen: „Tonight will be fine, will be fine for a while.“

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