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Was Männer können22.10.2021
Text: Martina Burandt
Türkis, weiß, orange sind die Farben dieses Abends. Drei Startblöcke an der Stirnseite eines türkisblauen Rechtecks im Zentrum der Bühne. An den Seiten weiße, gekachelte Wände, ein paar Eingänge, Nischen, zwei Liegestühle. Bis auf den Flügel und die Geige am Rande, unverkennbar ein Schwimmbad, jedoch ohne Wasser.
„22 Grad Celsius, Forecast“ wird per Beamer wie ein Wetterbericht, wie das Kapitel eines Buches, an eine Wand geworfen und gibt damit gleich die Richtung an. Hier soll ein Unternehmen in eine zielgerichtete, stabile Zukunft geführt werden.
[font=" courier="" new"]Samir Akika ist in seinem neuen St[/font]ü[font=" courier="" new"]ck noch nachdenklicher geworden[/font],[font=" courier="" new"] befragt sich auch selbst und letztendlich damit auch sein Publikum. Warum tun wir die Dinge, die wir tun. Machen sie uns wirklich Freude? Was ist uns warum wichtig? Die [/font]Ü[font=" courier="" new"]berschriften seiner Szenen-Kapitel reichen von Metamorphosen, [/font]ü[font=" courier="" new"]ber Verortungen, Spa[/font]ß[font=" courier="" new"]versprechungen bis hin zur Frage nach dem Ende, wenn die Energien auch den K[/font]ö[font=" courier="" new"]rper eines T[/font]ä[font=" courier="" new"]nzers immer mehr verlassen und ihn dies eines Tages umfallen l[/font]ä[font=" courier="" new"]sst[/font],[font=" courier="" new"] wie einen vertrockneten Baum.[/font]
Bestimmte noch in früheren Produktionen eher eine improvisiert wirkende Überfülle das Bild, so vermittelt der jetzige Bühnenraum (Greta Bolzoni: Bühne und Kostüme)eine Klarheit. Dabei lässt Samir Akika sich und seinen Akteuren nach wie vor viel Raum zum Spielen. Und da bleibt es – wie gewohnt – bei den „Unusual Symptoms“ nicht nur beim Tanz.
Sechs Tänzer und zwei Musiker sind im Raum verteilt, zwei beginnen im Zentrum einen Kontakttanz zu klassischen Klavierklängen. Ein Weiterer kommt mit einem Mikrofon an den Bühnenrand, begrüßt das Publikum und erzählt von sich, vom Geldwert seiner afrikanischen Identität, von seiner künstlerischen Ausbildung und macht mit allen ein Spiel mit Stimme und Applaus.
Vom Anfang bis zum Ende zeigt dieser besondere Theaterabend mit seinen Tänzerpersönlichkeiten, dass die Antwort darauf, warum Künstler*innen immer wieder auf der Bühne stehen, weitaus vielschichtiger ist, als die Sucht nach Applaus.
[font=" courier="" new"]Die Musik von Fl[/font]ü[font=" courier="" new"]gel und Geige (Shane Fee und Yu Mita) ist klassisch, au[/font]ß[font=" courier="" new"]ergew[/font]ö[font=" courier="" new"]hnlich f[/font]ü[font=" courier="" new"]r Akika-Choreografien. Da tanzt einer passend zum Stil seine klassischen Figuren, die sein Partner zun[/font]ä[font=" courier="" new"]chst mit Streetdance konterkariert, bis am Ende beide beides versuchen, verbinden, aber auch scheitern und wieder neu beginnen[/font].[font=" courier="" new"] [/font][font=" courier="" new"] [/font]
Zwischendurch mischen sich die zwei Musiker mit einem multilingualen Theatergerede ins Geschehen und tragen zur programmatischen Verwunderung bei. Auf einem Startblock sitzt einer und redet ohne Unterlass mit sich selbst, bis der Klang seiner Stimme zur rhythmischen Geräuschkulisse wird. Ein anderer beginnt zu singen, es entsteht ein Chor und der löst sich in einer Tanzchoreografie auf.
[font=" courier="" new"]Ein ebenso diverses, wie begabtes und mutiges Ensemble zeigt, was es hei[/font]ß[font=" courier="" new"]t Performer zu sein und zwar aus m[/font]ä[font=" courier="" new"]nnlicher Sicht. Einer k[/font]ä[font=" courier="" new"]mpft, einer wackelt mit der H[/font]ü[font=" courier="" new"]fte, einer versucht es mit klassischer Leichtigkeit, einer mit bizarren K[/font]ö[font=" courier="" new"]rperbildern, einer mit akrobatischen Spr[/font]ü[font=" courier="" new"]ngen und einer schnattert und schnattert, wie man es gendertypisch nur M[/font]ä[font=" courier="" new"]dchen zusprechen m[/font]ö[font=" courier="" new"]chte, andere heben und tragen sich gegenseitig, wie es im Ballett meist nur zwischen M[/font]ä[font=" courier="" new"]nnern und Frauen [/font]ü[font=" courier="" new"]blich ist[/font].[font=" courier="" new"] Klischees wirken hier nie klischeehaft, sondern eher wie Versuchsfelder dieses Lebens[/font].[font=" courier="" new"] Wie Fische ohne Wasser, zeigen sich diese Schwimmbadbesucher auch immer wieder nackt und verletzlich[/font].
[font=" courier="" new"]So tanzt pl[/font]ö[font=" courier="" new"]tzlich einer wie ein wildgewordener alter Zwerg im bunt zuckenden Flashlight. Die Zunge[/font],[font=" courier="" new"] ein aufgesteckter Gummipenis, ist lang[/font][font=" courier="" new"] [/font][font=" courier="" new"]herausgestreckt, wie in der archaischen[/font][font=" courier="" new"] [/font][font=" courier="" new"]Drohgeb[/font]ä[font=" courier="" new"]rde der m[/font]ä[font=" courier="" new"]nnlichen neuseel[/font]ä[font=" courier="" new"]ndischen Ureinwohner. Dann wechselt das Bild in ein Duo aus schwarzer und wei[/font]ß[font=" courier="" new"]er Haut, das sich beinahe zeitlupenartig mit- und umeinander bewegt und dabei immer neue poetische und erotische Bilder, wie Skulpturen erschafft[/font].[font=" courier="" new"] Dabei l[/font]ö[font=" courier="" new"]sen sich die Grenzen von Schwarz und Wei[/font]ß[font=" courier="" new"], von Geschlechtern und allen anderen Zuschreibungen auf sehr ber[/font]ü[font=" courier="" new"]hrende Weise auf.[/font]
[font=" courier="" new"]Immer wieder fragt [/font]„[font=" courier="" new"](Little) Mr. Sunshine[/font]“[font=" courier="" new"] [/font][font=" courier="" new"]nach der Sinnhaftigkeit von Kunst [/font]ü[font=" courier="" new"]berhaupt, die sich in der Pandemiezeit viele von innen und au[/font]ß[font=" courier="" new"]en gestellt haben. Doch erhebt sich diese Thematik hier in die dar[/font]ü[font=" courier="" new"]ber hinausragenden Sinnfragen im[/font][font=" courier="" new"] [/font][font=" courier="" new"]Leben [/font]ü[font=" courier="" new"]berhaupt[/font].
In der Suche nach Antworten, lassen die sechs Männer (Aaron Samuel Davis, Gabrio Gabrielli, Máté Mészáros, Marcus Alexander Roydes, Karl Rummel, Andor Rusu) regelrecht „die Hosen herunter“ und auch dieses Bild wird zum Ende des Abends mit Humor in einer Gruppenchoreografie aufgenommen. Euphorischer Applaus vom Premierenpublikum für einen inhaltlich wie künstlerisch reichen und bewegenden Abend in einem ausverkauften Haus.
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