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Wenn die Möwen kreischen - Mirko Bonné liest aus „Seeland Schneeland“13.07.2021

Wenn die Möwen kreischen - Mirko Bonné liest aus „Seeland Schneeland“

Text und Foto: Britta Lübbers

Moderiert wurde das Gespräch, in dem Bonné erstaunlich offen auch über sein eigenes Leben Auskunft gab, von Michael Sommer, Professor für Alte Geschichte.
„Es gibt Bücher, die sind herzerwärmend“, sagte Sommer zur Einführung. „Dieses ist keines von ihnen.“ Zu düster die Szenerie, zu kaputt die meisten der Figuren. In „Seeland Schneeland“ ist Merce Blackboro, der 17-jährige Blinde Passagier aus „Der eiskalte Himmel“, zurück in seiner Heimatstadt Newport an der walisischen Küste. Er hat die gescheiterte Shackleton-Expedition überlebt, wirkt aber gebrochen und mutlos. Und er trauert seiner unerwiderten Liebe Ennid Muldoon nach, die an Bord des Überseedampfers Orion gegangen ist, um sich in den USA ein neues Leben aufzubauen. Mit ihr reist u.a. der reiche Hotel-Tycoon Diver Robey, ein Alkoholiker mit abgrundtiefem Weltschmerz. Trotz der dunklen Grundstimmung: Sowohl Sommer als auch von Reeken zeigten sich fasziniert von der Lektüre. Merce hat übrigens ein reales Vorbild: Perce Blackborow. „Mit nur einer Buchstabenverschiebung konnte ich der Figur meine eigenen Innitalien geben“, sagte Mirko Bonné. Merce sei während des 15 Jahre währenden Schreibprozesses zunehmend zu seinem Avatar geworden. „Ich habe ihn mit meinen Kindheitserinnerungen und mit meinen Empfindungen ausgerüstet.“ Wales als Schauplatz der Handlung wiederum habe er sich über weite Strecken ausgedacht. „Als ich das erste Mal in Newport war, war ich erstaunt, wie die echte Stadt aussieht. Es gibt weniger Hügel dort und die Flüsse sind rauer und schmutzig.“ Die Frage: Was ist Realität und was Wirklichkeit, sei ein großes Thema in der Literatur, unterstrich Bonne´.
„Warum ist Diver so kaputt, was fehlt dem?“, wollte Dietmar von Reeken wissen. „Das ist eine gute Frage, die ich nicht beantworten kann“, erwiderte Bonné. Sein Stiefvater sei schwerer Alkoholiker gewesen. „Das hat mich sehr geprägt.“ Auch der Bruder von Merce hat ein reales Vorbild: Bonnés eigenen Bruder. Der sei Elektriker und ganz anders als er.
Darf man das, Figuren beliebig aus dem eigenen Portfolio nehmen und mit Phantasie anreichern? „Poesie darf das“, sagte Mirko Bonné, der neben vielbeachteten Romanen auch Lyrik schreibt. Die taffe Ennid, so heißt es im Roman, mag es, wenn die Möwen kreischen, denn das klinge wie das Quietschen von Türen, die sich öffnen. Mirko Bonné habe mit „Seeland Schneeland“ nicht nur einen beeindruckenden Roman geschrieben, bilanzierte Michael Sommer, sondern dies zudem in einer sehr poetischen Sprache getan.

BU: Was darf Poesie? Dietmar von Reeken, Mirko Bonné und Michael Sommer diskutierten im PFL


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