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FünfzehnUnten - Geschichten aus der Wohngemeinschaft Alteneschstraße29.06.2021
Text und Foto: Laura Altenbach
Und mit fast hundertprozentiger Wahrscheinlichkeit sitzt auch Leire in einem der Gartenstühle und liest oder genießt einfach die Sonne. Daher geht es gar nicht anders, als dass auch sie vorgestellt wird – sie gehört einfach dazu! Eigentlich kommt Leire aus Bilbao in Spanien. Den letzten Sommer über hat sie in Wilhelmshaven an einer Schule Spanischunterricht gegeben, hat dann aber an eine Schule in Westerstede gewechselt und ist nach Oldenburg gezogen. Hier hat sie dann Martin kennengelernt und die beiden haben direkt ein wunderbares gemeinsames Hobby gehabt – Terrace House. Bei dieser japanischen Reality Show geht es um junge Erwachsene, die gemeinsam in einer WG wohnen und bei den alltäglichsten Aktivitäten begleitet werden. Beispielsweise Kochen, Putzen, Skateboard-Reparatur usw. Das ganze ist selbstverständlich viel interessanter als in der eigenen WG zu kochen, zu putzen oder duschen zu gehen, beziehungsweise was noch schlimmer ist – Uni-Kram zu erledigen. Naja auf jeden Fall hat es gefunkt und
Weihnachten wurde dann gemeinsam bei Martins Eltern in einem niedersächsischen Kaff gefeiert. Vorsichtige Nachfragen unsererseits, wie es Leire auf dem Dorf gefallen habe, haben ergeben, dass sie die wunderbare Tradition des Weihnachtsbaum-Aufstellens mal aus einer ganz anderen Perspektive erleben durfte. Und zwar als Baum selbst, den es in diesen großen Blechtrommeln mit Schnüren zu umwickeln gilt, um ihn sicher nach Hause zu bekommen. Auf dem Foto, mit dem die feierliche Aktion natürlich festgehalten wurde, lächelt sie allerdings breit, also schien kein Grund zur Sorge zu bestehen. Und Lächeln, das kann Leire! Immer wenn ihre unfähigen Quasi-Mitbewohner*innen wieder mal nicht ins Englische wechseln, weil die Diskussion über – sagen wir Frühstück – mal wieder zu hitzig ist, sitzt sie dabei und versteht vermutlich jedes Wort, obwohl Leire immer behauptet ihr Deutsch ist soooo miserabel. Sie sitzt und lächelt und es ist immer eine Freude sie dabei zu beobachten. Die Sprachverwendung in der Alteneschstraße ist zur Zeit komplett durcheinander geraten. Begrüßt wird sich mittlerweile sehr häufig in Spanisch und bei Dario schleicht sich auch immer öfter ein „kaixo“ (Hallo) auf baskisch ein. Dagegen ist noch überhaupt nichts einzuwenden, nur kommt es immer wieder zu Verwirrungen unter den Mitbewohnern, wenn man nach 15 Minuten Gespräch irgendwann nach Vokabeln sucht, einem dann auffällt, dass man sich auf englisch unterhält und erst jetzt realisiert, dass dazu überhaupt gar keine Notwendigkeit besteht, weil Leire eh schon seit einer halben Stunde einkaufen ist und man sich sowieso nur über den Putzplan austauschen wollte. Glänzend hat Leire auch die E-Bay-Kommunikation gemeistert. Sie wollte Martin einen Gefallen tun, der sein nicht mehr funktionstüchtiges Fahrrad loswerden wollte, und es über die Kleinanzeigen verschenken. Allerdings scheinen die potenziellen Abholer tendenziell irritiert, wenn Leire, deren Handy immer mal wieder nicht so will wie sie, auf Anfragen mit dreimaligem „Haben Sie Interesse?“, „Haben Sie Interesse?“ und „Haben Sie Interesse?“ antwortet. Dann sitzt sie vor ihrem Handy, schreit „Oh No! Not again!“ und weiß nicht ob Sie lachen oder verzweifeln soll. Das Fahrrad steht auf jeden Fall immer noch vor unserem Schuppen und kann gern abgeholt werden, liebe Fahrradtüftler*innen! Und wenn Martin nicht noch mehr von seinen frühmorgendlichen kulinarischen Experimenten an seinen unschuldig studierenden Mitbewohner*innen ausprobiert und mit rohem Bambus, grad frisch im Garten geerntet vorm Fenster steht und verkündet „Probier mal, schmeckt wirklich gut!“, nur um fünf Minuten später seine entsprechenden Recherche-Ergebnisse zu verkünden: „Bambus niemals roh essen! Enthält Blausäure!“, überleben die WG-ler vielleicht auch noch lange genug, um eine Fahrrad-Übergabe zu gewährleisten. Sollte sich tatsächlich jemand, der diese grandiosen Kolumnen verfolgt, für den Drahtesel interessieren und sich zudem noch Gedanken um ein kleines Dankeschön machen: Gerade stehen hier vegane Grillwürstchen ganz hoch im Kurs! Aber ein frisch gepflückter Blumenstrauß für den Abendbrottisch oder ein nettes Lächeln tun's auch: Hauptsache Leire wird dieses Rad noch los, bevor sie sich auf die Reise zurück zu ihrer Familie in Bilbao macht.
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