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Le´Chaim – Jüdisches Leben in Deutschland15.06.2021
Text: Horst E. Wegener
Eingespielt von einem multiethnisch zusammengetrommelten Ensemble kann man der Jubiläumshymne ihre humanistische Botschaft von den unterschiedlichen Kulturen, die zusammenfließen, jederzeit anmerken. „Everybody is a superstar, we are the kids of the diaspora“ textet Shantel – und überführt den zumeist eher negativ besetzten Begriff Diaspora ins Positive. Das Ziel dabei: Die Vorstellung von Juden als Minderheit zu „dekonstruieren“. Denn solange sich die christliche Mehrheitsgesellschaft schwer tut, die Eigenständigkeit ihrer jüdischen Mitbürger zu tolerieren und zu respektieren, bleibt jegliches Kommunizieren auf Augenhöhe pures Wunschdenken. Dabei lassen sich jene 1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland, deren man derzeit gedenkt, schwerlich ausblenden. Das Datum geht auf ein Dekret des römischen Kaisers Konstantin aus dem Jahr 321 zurück, das Juden die Berufung in Ämter der Kurie in der Stadt Köln gewährte. Entlang der großen Handelsstraßen und Flüsse entstanden jüdische Gemeinden, deren Repräsentanten wichtige Funktionen für die weitere Entwicklung des aufblühenden Wirtschaftslebens in den Städten einnahmen. Die Pestpogrome Mitte des 14. Jahrhunderts zerstörten dies Gefüge, wobei neben religiösen auch soziale und wirtschaftliche Motive Ursache für Verfolgungen waren.
Auf Oldenburg bezogen ist in der Stadtchronik die erste Niederlassung von Juden zu Beginn des 14. Jahrhunderts vermerkt. Es sollte jedoch seinerzeit bei einer zeitweiligen Ansiedelung aufgrund rechtlicher Diskriminierungen bleiben – und bis 1848 brachen sich immer wieder Konflikte Bahn, die augenscheinlich von der christlichen Kaufmannschaft entfacht und geschürt wurden, um den Zuzug von Juden zu verhindern. Trotz solch geballter Ablehnung konnte man in der kleinen jüdischen Gemeinde anno 1829 sogar dem für das Herzogtum Oldenburg zuständigen Landrabbiner in einer eigenen Synagoge zuhören. Mit der Abfackelung des Gebäudes im November 1938 und der Shoah schien jüdisches Leben in Deutschland fortan kaum mehr vorstellbar. Selbst nach Ende des Dritten Reichs saßen die meisten Mitglieder der wenigen jüdischen Nachkriegsgemeinden bildlich betrachtet auf gepackten Koffern, um jederzeit das „Land der Täter“ verlassen zu können. Von Bundeskanzler Kohl initiiert und von seinem Amtsnachfolger forciert gab es dann mit Ende des Ost-West-Konflikts in den 1990er Jahren eine politisch gewollte Einwanderungswelle für jüdische Immigranten aus der ehemaligen Sowjetunion. Allein im Jahr 2002 wanderten mehr postsowjetische Juden nach Deutschland ein als nach Israel. Wer geglaubt hatte, dass Antisemitismus allenfalls ein Randproblem in unserer Gesellschaft wäre, sieht sich zusehends mehr getäuscht. Die Brandstifter im Lande zeigen ihre Gesinnung erschreckend offen. Dem entgegen zu wirken und der jüdischen Gemeinschaft in Deutschland den Ort zu bewahren, dem sie seit Jahrhunderten zugehört, ist die bleibende Aufgabe für unsere demokratische Gesellschaft.
Die Jubiläumsfeierlichkeiten zu 1700 Jahren jüdisches Leben in Deutschland nutzt man vor Ort zur sehenswerten Ausstellung „Le´Chaim! Jüdisches Leben in Oldenburg“: Da werden einem im Schloss verschiedene Objekte aus dem Besitz der Jüdischen Gemeinde präsentiert, anhand derer ein Zugang zur jüdischen Liturgie ermöglicht und der historische Ursprung sowie die Bedeutung von Schabbat und den wesentlichen jüdischen Festen erklärt wird. Eine Gruppe von Studierenden der Uni Oldenburg hat zu verschiedenen Themenfeldern des jüdischen Lebens in der Stadt gearbeitet; junge Mitglieder der Jüdischen Gemeinde mitsamt ihrer Rabbinerin Alina Treiger lassen den interessierten Ausstellungsbesucher am Gemeindeleben teilnehmen. Einen ersten Eindruck kann man sich zudem auch via www.youreventonline.de/JuedischesLebeninOldenburg verschaffen – wonach einem Shantels Arbeitsansatz für seine „Kids of the Diaspora“-Hymne in den Sinn kommen könnte. Jüdisches Leben in Deutschland sollte nach Ansicht des Frankfurters „sichtbar sein, muss fühlbar sein, muss lebendig, wild und hedonistisch sein“. Mission erfüllt? Definitiv!
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