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Der Anfang ist gemacht25.11.2020
Viel zu lange mussten freischaffende Künstler*innen auf aktive, verbindliche Coronahilfen warten, um die Zeit der Lockdowns zu überbrücken. Mit NEUSTART KULTUR startet nun ein Programm der Bundesregierung für Kultur und Medien, welches Soloselbstständige auch in ländlichen Gegenden unterstützen soll. Mit im Boot das oldenburgische Theater Wrede+, welches schon in den vergangenen 10 Jahren aktiv kleinere Künstler*innen und Theater unterstützt und deutschlandweit vernetzt hat. Dieses länger bekannte Programm wurde vom Bund zum Anlass genommen, um das Theater Wrede + um Hilfe bei der Verteilung der #TakeCareResidenzen zu bitten. Diese bestehen aus jeweils 5000€ für Soloselbstständige und etwa 20000€ für die Theaterhäuser mit einer Gesamtsumme von 2.495.000 € - ganz zur Freude von Winfried Wrede, Künstlerischer Leiter und Gründer des Theaters.
„Das finde ich als ersten Notnagel wirklich gut, denn viele wussten jetzt im Herbst tatsächlich nicht mehr, wie es weitergehen soll. Natürlich ist das alles viel Aufwand. Es ist eine riesige Summe die wir als kleines Haus so gar nicht kennen. Das hilft schon und das ist wichtig, denn schon in Oldenburg als Stadt bekommt man kaum Unterstützung, wie ist es dann auf dem Dorf? Gerade die Künstler sind sehr wichtig. Wir sind jetzt auch fast durch mit den 348 Anträgen. Wir müssen die jetzt noch alle abrechnen. Wenn der Bundesrechnungshof das prüft, dann muss das passend genau sein.“
Die Theater und Künstler*innen auf dem Land sind Wrede besonders wichtig, daher auch die Gründung von flausen+ vor über 10 Jahren. Die Besonderheit an dieser Form der Förderung ist, dass die Künstler*innen nach Erhalt des Geldes nicht verpflichtet sind, Arbeitsergebnisse nachzuweisen, sondern die Zeit nutzen können, um zu forschen. Warum das so wichtig ist erklärt Winfried Wrede wie folgt: „Wir haben heute natürlich gewisse Themen wie Populismus, die kann man nicht so einfach runterreißen. Da ist das Theater ein geschützter Raum, in dem sie ihre Ideen ausarbeiten können. Wir wollen ja Künstler, die eine eigene Meinung haben und unverwechselbar sind. Das ist unter diesem ökonomischen Strang, den wir mittlerweile haben, bei dem Produktionszeiten immer weiter verkürzt werden, so nicht möglich.“ Die eigene Meinung ausdrücken können, streiten können, einen gepflegten Diskurs pflegen können – diese und weitere Verantwortungen schreibt er den Theatern zu, umso wichtiger deren Überleben. Der erste Schritt dafür ist getan. Dass dieses Programm in dieser Form von der Politik noch nicht alles sein darf, betont er jedoch stark. „Warum gibt es für die Coronazeit kein bedingungsloses Grundeinkommen? Das wär’s gewesen. Es ist noch vieles im Argen, aber auch ein Hoffnungsschimmer, dass die Politik wach geworden ist. Es hat mich damals vollkommen erschreckt, als plötzlich kam: ‚Wieso? Kultur ist Freizeit.‘ Dümmer kann man nicht sein. Ich ertrage es nicht, wenn Kollegen wie Musiker oder Filmleute jetzt rausfallen. Dann wird es wirklich übel. Man muss auch mal sagen: Liebe Leute: Wir sind da. Man kann mit uns sprechen. Mit Lufthansa sprecht ihr, aber nicht mit dem Künstler. Mit VW sprecht ihr, aber nicht mit uns. Das kreide ich an. Wir sind die Experten und ihr denkt, das ist nur eine Freizeitbeschäftigung. Dabei hat das Theater eine ganz andere Aufgabe. Das Theater ist eine Auseinandersetzung mit der gesellschaftlichen Realität.“ Der NEUSTART KULTUR bietet jedoch Anlass zum Hoffen, das nun auch Ängste und Nöte der kleinen, unabhängigen Häuser abseits riesiger Produktionsketten die Hilfe bekommen, die sie verdienen. „Deswegen hoffe ich, dass die Politiker jetzt eventuelle Fehler einsehen. Man kann nicht nur blind draufschlagen. Wenn ich in so einer Situation Politiker wäre, hätte ich auch keine Ahnung davon. Deswegen finde ich die Initiative jetzt gut. Es setzt ein Lerneffekt ein. Nicht nur über Kultur sondern auch die Umwelt und was Gesellschaft und Solidarität bedeuten.“
Doch nicht nur bei den Politikern findet ein Umdenken in den Köpfen statt, sondern auch in der Künstlerszene selbst. Mit Aktionen wie „Ohne uns wird’s still“, an der sich auch das Theater Wrede+ beteiligt hat, rückt die lokale Szene zusammen und zeigt Gesicht, in einer Stadt, die nach Wredes Meinung viel zu wenig mit ihren lokalen Künstlern und Häusern wirbt. Corona könnte immerhin diesbezüglich einen Wandel bewirken.
Text und Fotos: Thea Drexhage
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