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Wohin mit der Leiche?12.11.2020
Text und Foto | Thea Drexhage
Wenn sich alle paar Monate im Bremer Inter City Hotel eine Horde Frauen zu Kaffee und Kuchen trifft, dann kann das der Männerwelt schon mal das Fürchten lehren. Denn bei diesen lustigen Gesprächsrunden geht es nicht um stereotype Themen wie Schuhe oder Kochrezepte, sondern vermutlich darum, wie man am kreativsten eine Leiche verschwinden lassen kann. Rein fiktiv versteht sich. Denn diese Frauen gehören zu den Mörderischen Schwestern - einer Autorinnenvereinigung, die gemeinsam ihrer großen Leidenschaft frönen: den Kriminalromanen.
Dieses deutschlandweite Netzwerk mit einzelnen Regionalgruppen besteht mittlerweile aus etwa 550 Autorinnen. Eine von ihnen Helga Bürster aus Dötlingen, welche mit ihren humoristischen Krimis gerade in der Region keine Unbekannte sein dürfte. So spielt sie in Werken wie „Tödlicher Kohldampf“ mit den Lokaleigenheiten aus Oldenburg und dem Umland. Darin geht es um das mysteriöse Verschwinden des Grünkohlkochs Kuno Hansen, Kohlfahrten, einen Kohl-Orden und was passiert, wenn sich ein außenstehender Koch am Lokalgericht Grünkohl versucht. Ihren Weg zu den Mörderischen Schwestern beschreibt die Autorin folgendermaßen: „Ich bin natürlich durch das Krimi schreiben zu den Mörderischen Schwestern gekommen. Ich war eine Zeit lang auch im Syndikat, das ist ja diese große Kriminalschriftsteller*innenvereinigung, aber mich hat es dann doch zu den Schwestern gezogen, weil es ein Frauennetzwerk ist und das interessiert mich einfach mehr. Die Atmosphäre dort ist sehr angenehm, wir helfen uns da gegenseitig und es gibt nicht so den großen Konkurrenzdruck, es ist ein bisschen was anderes.“ Besonders angetan hat es ihr die Offenheit des Netzwerks: „Was ich auch schön finde ist, dass jeder da teilnehmen kann. Da muss jetzt nicht jeder schon eine tolle Veröffentlichung haben, sondern auch einfach an Kriminalromanen Interessierte können einfach dabei sein. Ich finde diese Mischung sehr interessant.“ Natürlich wird bei den Mörderischen Schwestern nicht nur geschnackt und Kaffee getrunken. Das Netzwerk ist verantwortlich für zahlreiche Aktivitäten, rund um das Schreiben und die Kriminologie. „Wir haben beispielsweise einmal gemeinsam die JVA Oslebshausen besucht oder einen Kriminalpsychologen. Der Besuch im kriminalpsychologischen Institut war besonders interessant. Der Mensch hat wahnsinnig Spannendes erzählt und aus dem Nähkästchen geplaudert. Es war toll, dass alles mal aus erster Hand zu hören.“, berichtet Bürster. Aber auch Seminare und Workshops zum Schreiben, eigene Lesungen und Lady’s Crime Nights, sowie spannende Vorträge stehen auf dem Programm der Autorinnen. Besonders positiv hebt Helga Bürster jedoch das Mentoring-Programm hervor, bei dem sich Schwestern, die schon länger professionell schreiben um Frauen kümmern, die vielleicht gerade noch ganz am Anfang stehen. „Netzwerken ist wichtig. Nicht nur im Kämmerlein sitzen und schreiben, sondern mit Leuten reden und eben auch solche Netzwerke wie die Schwestern aufsuchen und zu schauen, wie es denn die anderen machen.“ Doch bei den geistigen Anstößen hört die Hilfe der Mörderischen Schwestern nicht auf. Autorinnen haben die Möglichkeit, sich im Netzwerk um ein Arbeitsstipendium zu bewerben, um in der Zeit des aktiven Schreibens finanziell etwas abgefedert zu sein, um über die Runden zu kommen.
Wie genau die Zukunft für die Treffen und Veranstaltungen der Schwestern in Zeiten von Corona aussieht, ist hingegen noch nicht ganz klar. „In diesem Jahr haben wir uns nur einmal getroffen, im Sommer, als alles etwas offener war. Für das nächste Jahr haben wir natürlich auch Sachen geplant. Alle anderen Treffen sind ausgefallen, auch die Vollversammlung und Lesungen. Es gibt zwar Planungen für das nächste Jahr, aber wir wissen ja einfach noch nicht was ist. Über Online-Lösungen denken wir gerade nach.“
Doch wie genau kommt man eigentlich zu Krimis und vor allem auf kreative Ideen, eigene zu verfassen? „Krimis sind ja nun weit verbreitet. Ich habe schon immer gern Krimis gelesen und guck auch gern mal einen guten Film. Irgendwann habe ich dann überlegt: ach würdest auch gern mal selber veröffentlichen. Die Ideen kommen irgendwann, beispielsweise wenn ich mit meinem Hund spazieren gehe und über irgendwas nachdenke. Oder ich lese was in der Zeitung oder sehe einen Film. Manchmal reicht auch ein Gesprächsfetzen.“ Diese spontanen Eingebungen und Ideen sind für Bürster das wichtigste Werkzeug. Zwar steckt auch viel Recherche in ihren Romanen, doch vor allem bei den polizeilichen Themen lässt die Autorin ihrer Fantasie freien Lauf: „. Meine Ermittler und Ermittlerinnen, das sind immer so Outlaws. Ich hab da so eine Ermittlerin, eine ehemalige Kriminalkommissarin, die da den Dienst quittiert hat und jetzt auf eigene Faust arbeitet. Ich schreibe ja auch keinen Tatsachenbericht. Bei Krimis mit heißen Themen muss ich natürlich viel recherchieren, damit das Hand und Fuß hat, aber bei meinen bisherigen Krimis haben mich vor allem Orte, Menschen und Begebenheiten interessiert. Polizeiarbeit recherchieren ödet mich einfach ein bisschen an.“, erklärt sie lachend. Daher dreht sich ihr aktueller Roman „Luzies Erbe“ auch nicht um Krimi-Themen, sondern um eine Familiengeschichte, in der die verstorbene Matriarchin der Familie einen Koffer mit Hinweisen auf eine vergangene Liebe zu einem Zwangsarbeiter in einem rechtsgesinnten Dorf in der NS-Zeit hinterlässt. Spannend bleibt es bei den Werken von Helga Bürster also auf jeden Fall.
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