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Fokussiert24.09.2020



Text und Foto I Christoph Kienemann

Jedes Jahr zeigt das Oldenburger Filmfest junges Kino, das jenseits des Mainstreams Geschichten erzählt, die sich um menschliche Emotionen drehen. Anstatt auf Effekthaschereien wie die großen Hollywood-Blockbuster, setzt das freie Kino auf konzentrierte Filme, die aus wenig viel machen. Die diesjährige Filmauswahl des Festivals unterstrich diesen Ansatz und war wieder einmal in der Lage, die Perspektiven des Publikums zu erweitern.

Mehr noch als in den letzten Jahren zeigte sich die Independent-Sektion fokussiert auf das Wesentliche. Viele Geschichten stellten die Emotionen und die Beziehungen zwischen den Menschen in den Mittelpunkt der Handlungen. Passend zu den derzeitigen Umständen, erzählten die Filmemacher*innen von Menschen in der Isolation, sei es die emotionale oder räumliche Isolation. Da war es nur folgerichtig, dass das Oldenburger Publikum mit „Miracle Fishing“ einen Film zum Sieger des Wettbewerbs erklärte, der diesen Ansatz auf die Spitze trieb. Miles Hargrove stellte aus alten VHS-Aufnahmen einen Film zusammen, der die Geschichte der Entführung seines Vaters Tom erzählte. Hautnah konnte man so miterleben, wie die Familie mit den Ereignissen umging. Im Gegensatz zur Hollywood-Version des Stoffes, entstand ein Film, der spannender und vor allem überraschender war, als es jede Bearbeitung sein könnte. Hargrove zeigt, dass in der Realität kein Platz für Klischees ist und wie Menschen an Krisen wachsen können.
Von der Authentizität der Bilder lebte auch Michael Maxxis „Puppy Love“. Der Eröffnungsfilm des Festivals hatte nicht nur zwei hervorragende Darsteller zu bieten, sondern zeigte, dass man auch von Menschen am vermeintlichen Rand der Gesellschaft viel lernen kann. Ohne Pathos und falsches Mitgefühl zeigt Maxxis eine Welt, die den meisten Zuschauer*innen fremd sein dürfte, die aber doch dazu anregt, dass eigene Leben zu hinterfragen.
Die Abgründe der Seele erkundete dagegen Guy Longstreets „Black Jade“. Auch dieser Film konnte mit Sasha Grant und Gareth Koorzen in den Hauptrollen überzeugen. Der Abstieg des isolierten Schriftstellers Raymond in den Wahnsinn ist perfekt inszeniert und jederzeit authentisch. Die sterile Atmosphäre des Filmes, die konzentrierten Dialoge und die vielen Nahaufnahmen zeigen, dass Longstreet seine Geschichte unglaublich fokussiert vorträgt. Letzteres gilt auch für den mexikanischen Beitrag „Summer White“. Regisseur Rodrigo Patterson zeigt eine Mutter-Sohn-Beziehung, die zu zerbrechen droht. Langsam spitzt sich das Drama zu und deutet doch immer wieder an, dass ein Ausweg möglich sein würde, wenn sich die Protagonisten nur aus ihrer emotionalen Isolation herauswagen würden. So versteht es „Summer White“, das Publikum stets in Spannung zu halten.
Vor allem visuell verstand es hingegen Pouya Eshtehardi mit seinem Film „Untimely“ zu begeistern. Die Geschichte des Soldaten Hamin, isoliert in der kargen Landschaft an der Grenze zum Oman folgt der non-linearen iranischen Erzähltradition. Jederzeit sind hier Einblicke in eine Welt möglich, die einerseits völlig verschieden zu unserer Lebenswelt zu sein scheint, aber doch erstaunliche Parallelen aufweist. So schafft es das Oldenburger Filmfest, ein Programm auf die Beine zu stellen, das erzwungener Maßen im digitalen Raum stattfand, dabei aber die Individualität des Menschen in den Mittelpunkt stellte. Was macht die soziale Isolation mit den Menschen, die Independent-Reihe wusste auf diese Frage vielfältige Antworten zu geben.

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