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Nachtmusik-Experimente17.09.2020



Text  |  Horst E. Wegener

2020 konnte der Tag der Musik deutschlandweit nicht in gewohnter Weise stattfinden, da öffentliche Konzerte aufgrund der Corona-Maßnahmen im Juni unmöglich waren. Andererseits wollten die Netzwerker von Klangpol das ebenfalls auf dieses Datum gelegte Oldenburger Lange-Nacht-der-Musik-Spektakel nicht komplett ausfallen lassen – schon allein, um den vielen Soloselbstständigen unter den Künstlern zu Auftrittsmöglichkeiten zu verhelfen. Also verschob man die Klangmeile entlang der Peterstraße ausnahmsweise auf Ende September.
   
Corona-bedingt müssen Lange-Nacht-Tickets in diesem Jahr im Vorverkauf erworben werden, ist die Anzahl der Sitzplätze an den einzelnen Spielorten beschränkt. Neben vorab erfragten Kontaktdaten sind Besucher gehalten, bis zum Erreichen des Sitzplatzes eine Mund-Nasen-Bedeckung zu tragen und die nötigen Abstände einzuhalten. Gut zu wissen, dass die einzelnen Programmpunkte möglichst oft wiederholt werden, so dass sie von vielen Interessierten wahrgenommen werden können. Ansonsten ist am Freitag den 25. September ab 19 Uhr rings um Oldenburgs Peterstraße die gewohnte Vielfalt angesagt: Netzwerkpartner von Klangpol aus der Nordwestregion spielen Musik aus dem 20. und 21. Jahrhundert, weiten die Angebote wie eh und je auf Tanz, Video oder Lichtkunst aus. Ob instrumental oder elektroakustisch, streng nach Notation, als Improvisation oder Echtzeitkomposition, pur oder mit Anklängen an alle erdenklichen Stile – der Lange-Nachtkultur-Reigen ermuntert zeitgenössische Musik zu Crossover-Experimenten. Man kann zuhören – sowohl bei Fenster- und Open-Air-Konzerten auf etlichen Freiflächen oder in den Räumlichkeiten etwa des PFL, der beteiligten Kirchen bis hin zur Turnhalle der Wallschule.  
Wer wissen will, wie ein Trautonium klingt, sollte den Vortragssaal des PFL ansteuern. Dort erklärt einem der Münchner Peter Pichler diesen Wunderkasten, der in den ganz späten Zwanzigerjahren des vergangenen Jahrhunderts erfunden wurde, in Berlin, das damals in vielerlei Hinsicht die Hauptstadt der Zukunft war. Das Trautonium ist eine Art Ur-Synthesizer, erbaut von Friedrich Trautwein, gespielt jahrzehntelang fast ausschließlich vom Wahl-Berliner Oskar Sala, dessen Auftragsarbeiten für Alfred Hitchcocks Thriller „Die Vögel“ das Instrument weltweit bekannt machte. Nach Salas Tod 2002 gilt Pichler als der einzige Spezialist auf diesem frühen elektronischen Klangerzeuger; im Frühjahr war er noch im Südtirol mit seinem Trautonium auf Tour. Im Veranstaltungssaal des PFL lässt sich derweil Tanzprofi Ingo Reulecke von frühen Jazzkompositionen Carla Bleys zu getanzten Choreographien inspirieren. Die Grande Dame des Jazzpianos, von der FAZ einst liebvoll als „das monströseste Chamäleon, das der Jazz kennt“ gewürdigt, hat als Komponistin und Bandleaderin Musikgeschichte geschrieben. Ohnehin sind vor allem Jazzer dafür bekannt, Crossover-animiert drauflos zu jammen (à la Monster, die in der Turnhalle der Wallschule auftreten) oder die Gräben zu den Nachbarkünsten zu überspringen, wie beim HCL-Ensemble, das sich mit der Lichtkünstlerin Katharina Berndt zusammentun mag.
Fest steht: Das Spektrum der Lange-Nacht-Angebote ist auch in diesem Jahr so ambitioniert wie umfassend. Und für all jene, die Lust am selbst ausprobieren bekommen, bieten sich die Mitmachmusik-Sessions auf der Grünfläche vor der Wallschule an.

Lange Nacht der Musik
25.9., ab 19 Uhr | Peterstraße OL

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