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„Krise ist kein Zustand”16.09.2020



Kaum eine Gruppe war in den vergangenen Monaten so viel unterwegs, wie das Kölner Trio Fortuna Ehrenfeld rund um Martin Bechler. Die Band hat so ziemlich alles mitgemacht, von Streamingkonzerten, über Kopfhörerkonzerte, Wohnzimmerkonzerte (coronakonform abgewandelt) bis hin zu größeren Sitzkonzerten wie beispielsweise am Abend des 11.9. vor dem Wilhelmshavener Pumpwerk.
„Ich bin so erzogen worden, wenn es ein Problem gibt, dann geh ich morgens kalt duschen und überlege mir, wie ich damit umgehe. Und genauso haben wir das auch behandelt. Krise ist kein Zustand, Krise kommt aus dem griechischen und bedeutet ‚Wendepunkt‘, mit diesem Gedanken kann man schon deutlich besser umgehen, als mit einem Dauerzustand. Wir haben keine Zeit damit verschwendet bei Facebook Petitionen zu unterschreiben, sondern haben geschaut, was man wie machen kann. Dafür wurden wir mit einer sehr ausführlichen Spätsommer-Tour belohnt.“, erklärt Bechler. Dass das alles nicht immer ganz so einfach ist, gerade seitens der Veranstalter, stehe laut Bechler ganz außer Frage. „Ich glaube die Veranstalter sind sehr viel mehr gekniffen, als wir Musiker. Da kannst du dich einfach an ‘ne Bushaltestelle stellen und ‚La Cucaracha‘ spielen, bis du deine 25€ beisammen hast. Bei Veranstaltern kann ich das Gejammer verstehen.“ Und selbst, wenn es mit der Live-Musik im ersten Moment nicht klappt, gibt es laut Martin Bechler immer Mittel und Wege, etwas zu machen.
Doch wie gestalten sich corona-konforme Konzerte für beide Seiten, so ohne Tanzen, Kontakt mit Fremden und Freunden und den enormen Abständen zur Bühne? „Wir haben uns überlegt, wie es für beide Seiten gut werden kann. Und ich will mal eins sagen: Das Publikum ist ja nicht doof. Die kennen doch die Situation. Wir setzen ein Konzert an, da ist Abstand und du musst vorher deinen Namen in eine Liste eintragen. Man kann da ja auch mit Humor rangehen. Das werden echt geniale Konzerte aus dem Grund, dass jeder versucht, das Beste daraus zu machen. Musikaffine Leute haben immer Bock. Daraus entwickelt sich dann eine ganz eigene Energie, die vielleicht eine andere Farbe hat, als ein Konzert mit Moshpit, aber es ist eine schöne Energie.“ Laut Bechler gibt es auch ein ganz eindeutiges Mittel, um so ein beschränktes Konzert zum vollen Erfolg zu machen. „Wir haben natürlich auch dazugelernt. Wie spielt man so einen Abend an und wie verläuft dann alles. Dabei gab es ein ganz klares Geheimnis: wir ignorieren Corona komplett auf der Bühne. Wir sind nicht dazu da, um den Leuten nochmal zu sagen, wie kacke alles ist, sondern ihnen was um die Ohren zu blasen. Nichts anderes ist meine Aufgabe.“
So viel Durchhaltevermögen wird letztendlich auch belohnt. Im Falle von Fortuna Ehrenfeld mit einer ganz besonderen Einladung. Am 31.10.2020 wird die Gruppe in der Kölner Philharmonie vor 1000 Leuten spielen. In Anbetracht der aktuellen Lage ist das eine Sensation. „Ich trau mich kaum das zu sagen, aber witziger Weise kam das Signal vom Veranstalter. Wir haben uns da nicht reingequengelt oder eingekauft, sondern die haben gesagt, dass sie der Ansicht sind, dass die Stadt wieder eine Band hat, die in der Lage ist, diesen Raum zu füllen. Da sind wir natürlich fast vom Stuhl gefallen. Ich mag den Raum unheimlich und habe dort früher als Tontechniker gearbeitet. Dieser Raum ist magisch, du kommst rein und dir kribbeln die Nackenhaare.“
Wie ein Konzert in dieser Dimension derzeit funktionieren kann erklärt Martin Bechler wie folgt: „Es wird klug diskutiert. Alle in Köln reden miteinander. Man darf ja nie vergessen: Menschen sind erfinderisch und entwickeln neue Ideen. Die Philharmonie hat mit den besten Fachleuten der Stadt ein Konzept entwickelt, dass die Teilnahme von 1000 Leuten erlaubt.“ Das kommt bei den Kölner*innen gut an. Das Konzert ist nach wenigen Tagen im VVK fast ausverkauft.
Text und Foto: Thea Drexhage

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