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Interessenkonflikt: Niedersachsen plant Ausweitung der Gänsejagd13.08.2020



Text  |  Christoph Kienemann

Bläss- und Nonnengänse sind nach der EU-Vogelschutzrichtlinie streng geschützte Arten, die unter anderem in Skandinavien brüten und sich in Niedersachsen im Winter und während des Zuges aufhalten. Für den Ausgleich der durch rastende Gänse verursachten Schäden an landwirtschaftlichen Nutzflächen zahlt das Land jährlich rund 8 Mio. € an die betroffenen Landwirte. Doch diese Summe scheint den Landwirten nicht ausreichend zu sein. Letztere verweisen auf eine „explosionsartige Vermehrung“ der Gänse, wodurch vor allem kleine und mittlere Betriebe vor finanziellen Einbußen stünden. Im Jahr 2019 habe der Ertragsverlust von begutachteten Rastgebieten für besonders geschützte Bläss- und Nonnengänse im Rheiderland und in der Wesermarsch im Schnitt bei rund 50 Prozent gelegen, ergab eine Untersuchung des Landesbetriebs für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN). Allerdings seien die Schäden sehr unterschiedlich ausgefallen: „Auf manchen Flächen war keinerlei Ertragsverlust durch die Gänse nachweisbar, da Rastereignisse aus dem Winter offenbar vor der ersten Mahd durch zwischenzeitliches Pflanzenwachstum ausgeglichen werden konnten“, so Julia Delingat (NLWKN). Der Landtag in Niedersachsen befasste sich bereits in der letzten Legislaturperiode mit dem sogenannten „Gänsestreit“. Im Jahr 2014 beschloss der niedersächsische Landtag die Einrichtung eines Arbeitskreises aus Landwirtschaft, Jäger*innen, Naturschützer*innen sowie Landwirtschafts- und Umweltministerium. Ziel war die allgemeine Information über Ziele und Umgang mit den weitwandernden Zugvögeln, die nach europäischem Recht besonders streng geschützt sind, sowie die Suche nach gemeinsamen Lösungen für betroffene Landwirte.
Ein Ergebnis dieses Prozesses war die Anweisung des ehemaligen Landwirtschaftsministers Christian Meyer (Grüne), die sogenannte Intervalljagd in den EU-Vogelschutzgebieten - hierzu gehören die Nordseeküste, große Teile der Ems und der Wümme - einzuführen, um die Wildgänse besser zu schützen. Dabei wechseln Schon- und Jagdgebiete im vierzehntägigen Rhythmus, damit die Rastvögel immer einen Rückzugsraum haben. Diese Anordnung wurde von Otte-Kinast bereits 2017 zurückgenommen. Nun soll darüber hinaus die Jagd auf in Niedersachsen rastende und überwinternde nordische Gänse deutlich ausgeweitet werden. Mit der Bläss- und der Nonnengans sollen künftig zwei weitere Arten bejagt werden dürfen, die bisher ganzjährig geschützt sind. Weiterhin soll auch die Jagdzeit auf drei Entenarten ausgeweitet werden. Insbesondere die Initiative „Volksbegehren Artenschutz“ kritisiert das Vorhaben. „Das ist schon ein starkes Stück: Da reist der Umweltminister durchs Land, besucht Naturschutzprojekte und beteuert, dass die Landesregierung mit dem "Niedersächsischen Weg" jetzt von sich aus endlich mehr für den Natur- und Artenschutz tun will, und gleichzeitig bereitet die Landwirtschaftsministerin das glatte Gegenteil vor“, meint Volksbegehren-Mitinitiator Dr. Nick Büscher. Die Jagd beunruhige die Vögel und führe dazu, dass sie ihre Kraftreserven verbrauchen müssten, so Büscher weiter. Der NABU wirft der niedersächsischen Landesregierung derweil Wortbruch vor. Otte-Kinast hätte zugesagt, dass mögliche Änderungen der Jagdzeitenverordnung zuerst mit den Expert*innen im Arbeitskreis Gänsemanagement besprochen werden würden. Hier wäre auch der NABU beteiligt gewesen. „Das zeigt uns, wie wertvoll Versprechen der Landesregierung sind und ihre geringe Wertschätzung des Naturschutzes – gerade im Hinblick des Volksbegehrens sind wir hier sehr vorsichtig“, so Dr. Holger Buschmann, Landesvorsitzender des NABU Niedersachsen.

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