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„Ob Zarah Leander wirklich so war, lässt sich schwer sagen.“05.02.2025






Interview: Dieter Oßwald Foto: Salzgeber

MoX: Herr Witz, was hat es mit dem Titel „Im Schatten der Träume“ auf sich?
Witz: Ursprünglich hatten wir den Arbeitstitel „Kann denn Liebe Sünde sein?“, nach dem gleichnamigen Lied von Zarah Leander – aber der war dann leider nicht möglich. Also haben wir nach einem neuen Titel gesucht. Träume passen gut zur Welt des Schlagers und der Traumfabrik, aber der Film zeigt auch die Brüche und biografischen Tiefen der Protagonisten. Die Kombination von „Schatten“ und „Träume“ ist geheimnisvoll und rätselhaft, im positiven Sinne. So kam der Titel zustande, und ich finde, er macht neugierig.
MoX: War „Kann denn Liebe Sünde sein?“ nach Ihrer Meinung ein schwuler Song von Balz?
Witz: Bruno Balz schrieb den Text kurz nach seiner ersten Verhaftung. Man kann vermuten, dass der Text etwas mit seiner eigenen Sexualität und seiner Erfahrung mit dem Justizsystem der Nazis zu tun hatte. Diese Interpretation ist möglich, aber nicht sicher. Ambivalenz ist hier das Schlüsselwort: Man weiß es nicht, aber es ist denkbar. Später äußerte sich Balz auch zweideutig, etwa bei dem legendären „Davon geht die Welt nicht unter“.
MoX: Hatten Sie den Eindruck, dass er sich davor scheut, klare Aussagen zu machen?
Witz: Wenn man sich Balz' Biographie anschaut, wird klar, dass er in seiner Jugend durchaus schwule Themen ansprach. So schrieb er etwa das Lied „Bubi lass uns Freunde sein“, das Homosexualität thematisiert. Zudem schrieb er kämpferische Gedichte, die seine Wut über die Verfolgung von Schwulen in den 20er Jahren ausdrücken. Diese Gedichte erschienen in schwulen Publikationen der Weimarer Zeit und sind sehr eindrucksvoll. Später blieb er in seinen Aussagen oft vage. Er scheute sich, klare Statements über die Bedeutung seiner Texte zu machen. Mit zunehmendem Alter hielt er sich bedeckt, genoss aber auch die Doppeldeutigkeiten und Andeutungen in seinen Werken. Diese Entwikklung spiegelt sich in seiner gesamten Karriere wider. Es war wohl eine bewusste Entscheidung, sich nicht eindeutig zu positionieren.
MoX: Warum haben Sie diese frühe Phase nicht prominenter im Film dargestellt?
Witz: Es war eine Frage des Materials und der Balance. Und ja, der erste Teil der Balz-Biografie hätte mehr Raum gebraucht. Ich hätte auch gerne mehr über seine Verbindung zu Hirschfeld und seine Beschäftigung mit der Emanzipation erzählt. Es ist schmerzlich, wichtige biografische Aspekte dem Grundtempo des Films zu opfern, aber solche Entscheidungen müssen im Dokumentarfilm getroffen werden. Es war ein notwendiger Kompromiss.
MoX: Da könnte man ja auch einen Spielfilm draus machen. Die Geschichte ist ja schon fantastisch, oder?
Witz: Wir haben tatsächlich überlegt, ein Spielfilmdrehbuch zu schreiben, uns dann aber dagegen entschieden. Erstens, weil ich eher ein Dokumentarfilmer bin – meine letzten Spielfilmdrehbücher sind über 20 Jahre her. Zweitens, weil es meiner Meinung nach in einem Dokumentarfilm einfacher ist, Glaubwürdigkeit zu erzeugen.
MoX: Gerade weil Sie Zarah Leander erwähnen: Im Film erscheint es so, dass sie sich bei seiner Verhaftung gar nicht um das Schicksal von Balz gekümmert hat.
Witz: Ja, das ist seltsam, aber auch umstritten. Gerade weil es ja zwischen den beiden eine tiefe Freundschaft gab, die über Jahrzehnte gehalten hat. Ob Zarah Leander wirklich so war, lässt sich schwer sagen. Auch warum Bruno Balz sie in seinem Interview so darstellt, ist unklar. Man hat bei ihm generell das Gefühl, dass er die Bedrohung und die Gefahr, in die er damals geriet, ein Stück weit herunterspielt. Vielleicht wollte er sich selbst nicht zu sehr in den Mittelpunkt stellen.
MoX: Man fragt sich, warum Balz nicht aus Deutschland geflohen ist, wie andere bedrohte Künstler.
Witz: Warum er nicht geflüchtet ist, bleibt eine komplexe, individuelle Frage, die auch Michael Jary betrifft. Es gibt keine einfache Antwort darauf. Ein möglicher Grund, warum er in Deutschland blieb, könnte seine tiefe Verbindung zur deutschen Sprache und Kultur gewesen sein. Er konnte als Texter nicht einfach nach Hollywood gehen und sich dort etablieren, ohne Englischkenntnisse. Auch die Schweiz, die gegenüber Flüchtenden damals eine sehr harte Linie fuhr, bot ihm wenig Zuflucht. Und die Schweiz hatte ja auch keine starke Filmindustrie, wo Balz ein Auskommen gefunden hätte. Um international erfolgreich zu sein, hätte er wie Thomas Mann bereits ein hohes internationales Ansehen haben müssen.
MoX: Halten Sie es für berechtigt, dass Balz aufgrund seiner sexuellen Orientierung so schnell entnazifiziert worden ist?
Witz: Es war nicht die Logik der Amerikaner zu sagen, er sei kein Nazi, nur weil er schwul war – das war nicht so einfach. Ich habe nachgeprüft, was er getan hat und was seine politische Haltung war. Meiner Ansicht nach war er mit Sicherheit kein Nazi, nicht nur, weil er schwul war, sondern auch, weil er grundsätzlich nichts mit autoritärem oder faschistischem Gedankengut zu tun hatte. Balz war einfach ein guter Texter, kein Anhänger des Faschismus. Auch Jary war keineswegs Nazi. Und doch haben beide damals am Erfolg der großen Lieder mitgearbeitet.
MoX: Es gibt im Film diese Aussage, wonach Goebbels sich in die Freilassung von Balz aus der Gestapo-Haft persönlich eingemischt haben soll mit den Worten an Jary: „Dann holen Sie ihn halt raus.“ Wie belastbar ist diese Aussage? Wie verantwortungsvoll ist es, so eine Geschichte im Dokumentarfilm zu präsentieren?
Witz:: Diese Formulierung stützt sich auf zwei Quellen: die Aussage von Jary selbst, die zum Glück in einem TV-Interview dokumentiert ist, und die Bestätigung durch seine Tochter Micaela, die sich an die Erzählungen ihres Vaters erinnert. Ich habe mich entschieden, diese Quellen zu nutzen, da die Kernaussage vom Hauptakteur selber gemacht wird. Es gibt keine schriftlichen Stimmprotokolle, was die Geschichte verifizieren würde, aber das macht sie nicht automatisch unglaubwürdig. Es ist eine Geschichte, die mit vielen Legenden behaftet ist, aber ich hielt es für vertretbar, sie so im Film zu lassen.

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