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Mit Kompass und Nacktschnecken30.08.2023



Text und Foto: Britta Lübbers
[font=Bembo]„Zehn Räume“ ist die ungewöhnliche Schau übertitelt, jeder Raum umfasst eine eigene Werkgruppe. Die Arbeiten unterscheiden sich in Thema, Technik und Material. Es gibt Malerei, Zeichnung und Fotografie, Papier, Glas, Graphit und Wasserfarben. Die Schau zeige letztlich nicht eine, sondern zehn Ausstellungen, sagt Helene von Oldenburg während der Vorbesichtigung. Das stimmt. Aber es gibt eine Art unsichtbare Klammer, eine Handschrift. Jeder Raum spiegelt die Freude am Hintersinn, das Spiel mit Erkennen und Erstaunen. „Mir ist es wichtig, dass das, was ich zeige, irritiert“, bekennt die Künstlerin. Im einstigen Speisesaal hat sie eine überdimensionale Landschaftsaufnahme platziert. Schwere Wolken ziehen über einen tiefen Boden. „Nordnordwest“ heißt das Bild, das Weite ausdrückt. Oder Verlorenheit, je nach Standpunkt. Am unteren Bildrand ist ein Kompass angebracht. „Jetzt könnte man denken, der Kompass zeigt an, wo es langgeht“, lächelt von Oldenburg. „Tatsächlich aber zeigt uns der Kompass unsere eigene Position.“ Man merkt, dass ihr die kleine Finte gefällt. Auch das Trauzimmer wurde zum Ausstellungsraum. Da Tisch und Stühle hier nicht weggeräumt werden dürfen, waren ihre Möglichkeiten begrenzt. Sie nahm schwarze Folie und verhüllte das Interieur. Entstanden ist eine Installation, die keinen Gedanken an „Ganz in Weiß“ zulässt. Das darf man ein bisschen subversiv finden. Ein Raum widmet sich dem „Vergessen“. Hier hat Helene von Oldenburg mit Nacktschnecken kooperiert, die in einem regenreichen Sommer den Garten bevölkerten. Sie legte mit Bier und Honig bestrichenes Papier auf den Rasen, das die Schnecken annagten. Beschriftet und gerahmt entfalten die perforierten Blätter einen ganz eigenen Reiz. Skurril mutet auch die Werkgruppe „Anstreichungen“ an. Zu sehen sind Kreuze und Striche, mit denen von Oldenburgs Vater Zeitungsartikel und Buchtexte gekennzeichnet hatte. Die Texte sind gelöscht, nur die Anstreichungen sind als farbige Markierungen auf Glas übriggeblieben. Verwaiste Hervorhebungen, deren Ursprung ausradiert ist. „Ich bin Tourist“ heißt eine weitere Fotoreihe. Die Bilder sind in den 1990er Jahren in Norwegen entstanden und präsentieren ausnahmslos Rastplätze in der Natur. „Eine Zeit lang war ich fasziniert von Tischbänken“, erzählt von Oldenburg. „Sie sind scheußlich und höllisch unbequem, doch sie stehen an traumhaften Orten.“ Das Highlight der Schau aber ist der zehnte Raum, ein kleiner, versteckter Treppenaufgang, der wohl ein Dienstbotenaufgang war. Noch nie wurde er für eine Ausstellung genutzt. Unterhalb der gewundenen Holzstufen hat Helene von Oldenburg Fotos mit Motiven aus dem Palais angebracht, die ein Kaleidoskop der Vergänglichkeit bilden. Es sind Nahaufnahmen von Kratzern und Kerben in Wänden und Boden, Verfallspuren, die selbst dem Verfall anheimgegeben sind. „Nach der nächsten Renovierung sind sie verschwunden“, sagt die Künstlerin, die in Agrarwissenschaften promovierte, bevor sie Freie Kunst in Hamburg studierte. Ihr bevorzugtes Metier sind die Grenzgebiete zwischen Kunst, Medien und Wissenschaft – Kompass und Schnecken inklusive.[/font][font=Bembo] [/font]
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[font=Bembo] „Zehn Räume“
Palais Rastede, Feldbreite 23, Rastede
Noch bis zum 22. Oktober
Infos unter www.rastede-touristik.de.
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