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Allein unter Männern21.10.2022



Fast jeder kennt Carl Benz, aber wer hat von seiner Ehefrau Bertha Benz gehört, der furchtlosen Auto-Testfahrerin, die vor mehr als 100 Jahren mit ihrem Knowhow das Motorwagen-Benz-Patent erst möglich machte? Wer weiß etwas über Ilse Esser, Flugzeugkonstrukteurin und in den 1920er Jahren Pionierin der Luftfahrttechnik? Auch Lise Meitners Name verblasst gegenüber dem ihres Kollegen Otto Hahn. Das geniale Duo forschte zur Kernspaltung, aber Hahn strich den Ruhm nahezu alleine ein. Für ihre Forschung musste Lise Meitner Anfang des 20. Jahrhunderts noch durch einen Seiteneingang der Berliner Universität ins Labor huschen, denn Frauen waren an den preußischen Hochschulen nicht zugelassen.
Durch einen Nebeneingang geht sie selbstverständlich nicht in den Hörsaal, aber eine absolute Ausnahme inmitten ihrer männlichen Kommilitonen ist auch Lana Draghinazzi. Sie studiert Produktionstechnik an der Universität Bremen. Zu Beginn ihres Bachelor-Studiums an der Hochschule Flensburg war sie die einzige Frau unter 120 Studierenden. Jetzt macht sie ihren Master und hat immerhin einige Mitstudentinnen. Eine Männerdomäne ist der Maschinenbau aber nach wie vor. Es gibt kaum eine technisch-naturwissenschaftliche Disziplin, in der Frauen derart rar vertreten sind. In Deutschland ist unter den Maschinenbaustudierenden nur jede Zehnte eine Frau. Die meisten dieser Ausnahmestudentinnen machen immer noch diskriminierende Erfahrungen, von blöden Sprüchen bis hin zu offener Geringschätzung. Auch Lana Draghinazzi hat das erlebt. Aber sie ist taff, hält dagegen und geht selbstbewusst ihren Weg. Man dürfe nicht zu zart besaitet sein in dieser männerdominierten Branche, sagt die 24-Jährige. In der Praxis sei der Ton oft rau. Das müsse man wegstecken oder besser noch parieren können. Sie kann es. Und sie liebt, was sie tut.
„Schon als Kind hat mich interessiert, wie alles funktioniert“, erzählt sie. Als kleines Mädchen hatte sie stets ein Erfindungsbuch bei sich. Darin notierte sie ihre Ideen. Wenn sie in ein Auto stieg, gab sie sich nicht damit zufrieden, dass der Wagen startete und losfuhr. „Ich wollte wissen, wie die Mechanik ineinandergreift, was die Konstruktion, was der Plan dahinter ist.“ In der Schule wählte sie Mathe und Physik als Leistungskurse und war schon da fasziniert vom Ingenieurwesen. Wo viele Schüler, vor allem aber Schülerinnen dankend abwinken – zu kompliziert, zu funktional – gerät Lana ins Schwärmen. „Ingenieure müssen kreativ sein“, lächelt sie. „Es gibt immer ein Problem zu bewältigen, eine Aufgabe zu lösen. Der Weg dahin muss selbst gefunden werden. Das ist unglaublich schöpferisch und spannend.“
Als sie ihr Studium aufnahm, war sie ein Solitär. „Der Professor schaute in die Runde und konstatierte: Diesmal ist keine Frau dabei“, erinnert sie sich. Er hatte sie schlicht übersehen. Ein anderer Lehrender beschied seinem Auditorium: „Am Ende seid ihr mit einer Lehramtsstudentin verheiratet.“ Sie hörte, wie ein Maschinenbaustudent zu einem anderen sagte: „Egal wie du abschneidest, du musst besser sein als das Mädchen.“ Auf dem Weg zu den Unterrichtsräumen wurde sie mehrmals von Fremden darauf hingewiesen, dass sie hier falsch sei. „Da war sofort die Schublade offen. Die konnten sich nicht vorstellen, dass ich als Frau genau dort richtig bin.“
Zu ihrem dualen Studium gehörte auch eine Ausbildung in einem handwerklichen Betrieb. Lana lernte Industriemechanikerin auf der Werft Abeking & Rasmussen in Lemwerder. „Drehen, Fräsen, Schweißen“, fasst sie zusammen. Sie war mit die erste Dualstudentin im Unternehmen. Der Umgangston unter den Männern war ruppig, aber sie kam gut zurecht. „Ich habe gleich am ersten Tag deutlich gemacht, dass ich mich behaupten kann. Damit war das gesetzt.“ Einmal musste sie eine Ölpumpe überwachen. Plötzlich ging das Gerücht um, die Pumpe sei ausgefallen und Lana müsse jetzt 60 Liter schwere Ölkanister schleppen. „Das war natürlich Unsinn. Das kann kein Mensch. Aber es sind wirklich Kollegen gekommen, um zu sehen, wie ich das schaffe. Die haben mir das zugetraut.“ Der Gedanke gefällt ihr.
Im kommenden Jahr möchte Lana für einen Forschungsaufenthalt an die Universität Otago in Dunedin, Neuseeland. Die Hochschule dort sei herausragend, was die Wissenschaft betrifft, weiß sie. Schon jetzt arbeitet Lana als Werkstudentin in einem Forschungsinstitut in Bremen. „In der Wissenschaft sind die Herausforderungen besonders groß, die Wege zur Lösung meist unbestimmt. Das reizt mich sehr.“
Auch in ihrer Freizeit mag sie Herausforderungen. Sie ist Kanutin, hat eine Leidenschaft für Fotografie und fährt, wenn es die Zeit erlaubt, mit ihrem eigenhändig umgebauten Camper alleine durch Europa. Sollte mal etwas defekt sein, kann sie vieles selbst reparieren. Einen Mann um Hilfe bitten, wenn der Reifen platt ist, das muss Lana Draghinazzi nicht.

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