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MoX-Kulturbericht: Neue Besetzung, gleicher Groove30.06.2022



Es mag ja Mitmenschen geben, denen zum Stichwort Colosseum einzig und allein jener römische Kolossalbau in den Sinn kommt. Diesen offenbar unmusikalischen Naturen sei hiermit nahe gebracht, dass in den Rock- und Jazz- und Blues-bewegten Jahren ab 1968 eine Band von sich reden machte, die nach Meinung ihrer Fans geradezu überirisch musizierte. In jener Dekade begannen die Spartengrenzen durchlässig zu werden, weshalb Rocker, Jazzer und Blueser verstärkt über gemeinsamen Kompositionen brüteten. Die britischen Jazzrock-Koryphäen hießen seinerzeit Brian Auger oder Graham Bond,  und Topbands wie If oder Soft Machine gehörten in jedermanns Progressivplattenkollektion zu den unverzichtbaren Essentials. In diesen Sphären behauptete sich auch Colosseum: Die 1968 von Schlagzeuger Jon Hiseman und Saxophonist Dick Heckstall-Smith gegründete Rockjazz-Formation punktete mit suitenartigen Kompositionen, die erdigen Blues, progressiven Rock, coolen Jazz und klassische Elemente in einen unerhört neuen Stil überführten.
Drei der zunächst fünf Bandmitglieder kannten sich bereits seit den frühen Sixties, hatten schon mit Größen wie Graham Bond oder John Mayall live auf der Bühne gestanden. Verstärkt um Rockgitarrist James Litherland und Jazzsaxophonist Heckstall-Smith tüftelten Keyboarder Dave Greenslade, Colosseum-Übervater Jon Hiseman und Bassist Tony Reeves an genre-sprengenden Kompositionen. Das Ergebnis: Eine konzertante Rockmusik, wie sie bis dahin kaum zu hören gewesen war. Die Band legte bis ´71 drei sensationell gelungene Studio-Alben vor, die auch heutzutage kein bisschen gestrig klingen. Colosseum stand für kolossale Meisterwerke, die von Kritik und Fans gleichermaßen umjubelt wurden; der Debüt-LP „Those Whose Are About To Die Salute You“ folgten „Valentyne Suite“ und „Daughter Of Time“. Plattenseitenlange, stilübergreifende Stücke, sämtliche Demarkationslinien von Jazz und Rock und Blues einebnend. Selbst etliche Personalwechsel steckten die Rockjazzer eine Zeitlang erstaunlich mühelos weg. Gitarrist Litherland wurde durch Dave Clempson ersetzt. Auf Bassist Reeves folgte Mark Clarke. Außerdem stießen Sänger Chris Farlow und Saxophonistin Barbara Thompson zur Band; Farlowes markerschütterndes Organ prägte das ´71 aus zwei Konzerten in Manchester und Brighton zusammengestellte Live-Album. Obwohl  es musikalisch außerordentlich gut lief, Kritiker das Live-Album als „Juwel der Rockgeschichte“ einstuften, löste sich Colosseum nach dem Weggang von Gitarrist Clempson und Rockröhre Farlowe auf.

Der Musikgeschmack in den Seventies wandte sich vom Jazzrock ab. Soulfunk, Mainstream und Disco dominierten die Popmusikcharts jener Dekade. Trommler Hiseman gründete ´75 erfolglos Colosseum II (mit Gary Moore) und musizierte ehelich in Barbara Thompsons Fusion-Formation Paraphernalia. Erst 1994, als die Welt am Techno-Abgrund stand, fiel der erneute Auferstehungsruf mit der klassischen „Live“-LP-Besetzung auf fruchtbaren Boden. Abermals entstanden neue Colosseum-Alben, die von jung und alt gleichermaßen begeistert gekauft wurden. 2004 verstarb dann Band-Frontmann Heckstall-Smith, wurde durch Hisemans Gattin Thompson ersetzt. Letztere gab sich trotz Parkinson-Erkrankung eine Zeitlang die Ehre bei Live-Auftritten der Jazzrock-Formation, auch über den Tod ihres Gatten und Colosseum-Mitbegründers Jon Hiseman hinaus. Im Vorjahr scharten die Band-Urgesteine Chris Farlowe, Clem Clempson und Mark Clarke dann die neuen Mitstreiter Malcolm Mortimore, Kim Nishikawura und Nick Steed um sich, produzierte man das jetzt anstehende Album „Restoration“ – und dürfte beim diesjährigen Oldenburger Kultursommer für einen fulminanten Eröffnungshöhepunkt garantieren. Wir sind´s gespannt – und freuen uns unbändig auf den bevorstehenden Auftritt der legendären Rockjazztruppe auf der Schlossplatzbühne.
Text: Horst E. Wegener

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