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Der Fuchs im Betonwald12.01.2021



Lärmschutzwände, Autobahnschilder, Brückenpfeiler, Güterzüge, von Wilhelmshaven bis Hamburg und noch viel weiter - er ist überall, der Graffitofuchs. Mit seinen großen Kulleraugen und klaren Linien hebt er sich deutlich von anderen Graffiti, welche größtenteils aus bunten Buchstaben bestehen ab. Dahinter steckt das Fucs.Kollektiv, welches spätestens mit der Aktion rund um den pinken Bundeswehrpanzer überregionale Bekanntheit erlangte. Grund genug, sich einmal mit dem Kopf hinter dem Fucs.Kollektiv über die Bedeutung von Streetart zu unterhalten.

Für den Künstler bildet die Graffitikunst einen kreativen Ausweg aus der ländlichen Einöde. Fernab von Metropolen, dort, wo Kunst und Kultur oft nur kleine Nebenrollen einnehmen, gilt es, sich eine Aufgabe zu suchen, die Leidenschaft erfordert und vor dem Versacken rettet. „Wenn junge Leute nicht wissen was sie tun sollen, dann fangen sie an, Drogen zu nehmen. Das verführt einen und mag spaßig sein, macht letztendlich aber sehr kaputt. In meinem Freundeskreis habe ich das mit den Drogen auch beobachtet. Da war ich nie dabei, auch, wenn ich die Leute mochte. Irgendwann kam dann ein Sprayer dazu und ich konnte beobachten, wie er sich vorbereitet hat, wie er seine Dosen abgeputzt und geschüttelt hat und alles nur noch mit Handschuhen anfasste. Das hat mich sehr fasziniert, wie jemand so professionell sein Ding durchzieht, nur, um ein Bild zu malen. Das hat mich so getriggert, dass ich gefragt habe, ob ich mitkommen kann, das war dann auch kein Problem.“ Von da an hat es den jungen Künstler gepackt. Das Aktivsein in der Nacht, wenn die Hektik des Tages langsam verschwindet und sich einfach seiner Umwelt anzuvertrauen, übte schnell einen Reiz aus. Auch das Adrenalin spielt natürlich eine große Rolle. Nicht alle Orte, an denen der Fuchs zu finden ist, sind ganz ungefährlich. „Die Wahl der Orte geschieht aus einer Laune heraus. Ich habe mein Leben derzeit so eingerichtet, dass ich Abends und Nachts tatsächlich genügend Zeit habe, meiner Leidenschaft nachzugehen. Wo ich wann sprühe, entscheide ich meist spontan. Da spielen dann auch Faktoren wie das Wetter eine Rolle. Das Sprühen an Lärmschutzwänden stellt für mich eher eine meditative, entspannte Situation dar, wenn ich dann doch mal wieder einen Kick möchte, besprühe ich auch mal ein Schild oder Züge, das braucht dann auch etwas mehr Vorbereitung. Und wenn man dann noch mit Freunden zusammenarbeitet, entsteht durch den Nervenkitzel eine besondere gemeinschaftliche Verbindung die absolutes Vertrauen erfordert.“
Aus den vielen Bildern dieser großen Sprayergemeinschaft sticht der Fuchs immer wieder hervor. Warum es ausgerechnet dieses possierliche Waldtier geworden ist, erklärt der Künstler wie folgt: „Ich habe nun dieses neue Hobby kennengelernt, jedoch gedacht, dass ich kein wirkliches Kunsttalent habe. Es ist traurig, das Menschen von klein auf vermittelt wird, das Kunst nur für die Menschen ist, die etwas können, das perfektionistischen Vorstellungen der Gesellschaft entspricht. Dabei ist das Abstrakte eher selten geworden, dabei ist es eine Kunst, die jeder ausführen könnte, unabhängig vom Urteil des Betrachters. Ich dachte auch immer, ich hatte nie das Talent, weil ich in Kunst eine 4 hatte. Dann entwickelte ich aber diese Leidenschaft und dachte, dass jeder Buchstaben malen kann, also wählte ich den Fuchs, ein liebliches Symbol, das gut ankommt und die Aktion an sich irgendwie verharmlost. Mit dem Fuchs habe ich einen Punkt der Akzeptanz in den Menschen getroffen.“ Natürlich könnte der Künstler den Fuchs auch einfach auf eine Leinwand bringen und somit in Ausstellungen, was im kleinen Rahmen auch passiert, doch das größte Publikum findet sich nunmal auf der Straße. Mit der Begründung, dass durch Straßen und Gleisausbau immer mehr Natur zerstört und in privaten Besitz übergeht, soll der Fuchs als wildes Tier auch ein Zeichen setzen, als natürliches Element, dass sich einen kleinen Teil seiner Umgebung zurückerobert. Dass dabei täglich tausende Menschen an den Bildern des Fucs.Kollektiv vorbeifahren und diese mal mehr, mal weniger bewusst wahrnehmen, ist ein willkommener Bonus. „Klar sind Ausstellungen schön. Man bekommt eine Bestätigung und das künstlerische Schaffen wirkt irgendwie offizieller und man hat etwas zum Nachweisen, aber meine Galerie bleibt der öffentliche Raum, dort kann ich viel mehr Menschen erreichen. Klar kann man auf Instagram eine Million Follower haben, aber an meinen Werken fahren jeden Tag hunderttausend Menschen vorbei. Das ist eine Reichweite, die man gar nicht mehr mitverfolgen kann.“ Doch eine ganz besondere Aktion des Künstlers hat es nun doch ins Museum geschafft. Aber nicht in ein Kunstmuseum, sondern das Panzermuseum in Munster. Nachdem das Fucs.Kollektiv im Sommer einen Panzer auf der Großen Höhe in Delmenhorst pink ansprühte und dieser im Anschluss von der Bundeswehr entfernt wurde, konnte der Panzer in dem Museum eine neue Heimat finden. „Das ist schon ein besonderes Gefühl. Der Gedanke des Direktors in diesem Museum ist nicht der Patriotismus, sondern für die Menschen in der Zukunft festzuhalten, mit welchen Waffen sich zu unserer Zeit bekriegt wurde. Da steht jetzt mein Unikatkriegsgerät dazwischen und wird  für eine Zeit festgehalten, in der ich mal nicht mehr bin, das ist natürlich besonders.“ Doch auf pinken Lorbeeren ausruhen, das kommt gar nicht in Frage. Die Pläne für zukünftige Aktionen laufen und laufen. „Es gibt so viele hässliche, leer stehende Gebäude, die gut Künstlern zur Verfügung gestellt werden könnten. Beispielsweise ein kleines quadratisches Häuschen durch Farben und Muster so zu verändern, dass seine Proportionen total verloren gehen, das wäre so eine Idee, die auch gar nix mehr mit dem Fuchs zu tun hätte…Illegales Graffiti gibt es im Prinzip doch nur, weil es keine legalen Flächen zum sprühen gibt.“
Text und Fotos: Thea Drexhage


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