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Im Auftrag der Verfassung12.11.2020



Text  |  Christoph Kienemann

In der ersten Beratung des Gesetzentwurfs von FDP, Grünen und Linken, zur Ablösung der sogenannten Staatsleistungen, am 5. November im Bundestag, signalisierten Vertreter*innen von CDU und SPD grundsätzliche Zustimmung zum Vorhaben der Opposition. Unter Staatsleistungen versteht man im deutschen Verfassungsrecht alle auf Gesetzen oder Verträgen beruhenden Leistungsverpflichtungen der Länder an die Religionsgesellschaften, die aufgrund historischer Gegebenheiten entstanden und bei Inkrafttreten der Weimarer Verfassung am 14. August 1919 bereits bestanden. Jedes Jahr erhalten die Kirchen auf diesem Weg ca. 500 Millionen Euro aus den Bundesländern.  

Schon die Weimarer Reichsverfassung schrieb vor, dass diese Staatsleistungen "abgelöst" werden. Das Grundgesetz übernahm den Verfassungsauftrag. Dennoch ist bisher wenig passiert. Doch seit Beginn des Jahres scheint Bewegung in die Sache zu kommen. „Die Ablösung ist ein Verfassungsauftrag, der seit 100 Jahren besteht“, erklärte der FDP-Politiker Benjamin Strasser im Hinblick auf den interfraktionellen Antrag, der im Bundestag beraten wurde. „Zur Erfüllung der verfassungsrechtlichen Pflicht haben wir ein Gesetz erarbeitet, das Grundsätze für die Ablösung der Staatsleistungen durch die Länder aufstellt. Zentral hierfür ist, dass bei der Ablösung durch Geldleistungen das Äquivalenzprinzip zugrunde gelegt wird. Auf diese Weise wird ein vollständiger Ausgleich der Entschädigungen gewährleistet“, erklärte Konstantin von Notz (Grüne). Die Linken-Abgeordnete Christine Buchholz erklärte, es sei nicht nachvollziehbar, dass Kirchen auf Ewigkeit Geld vom Staat erhalten würden, da die zugrunde liegenden Ereignisse bereits über 200 Jahre zurückliegen.
Bei den Staatsleistungen an die Kirchen handelt es sich keineswegs um die Kirchensteuer. Letztere wird als eine Art Mitgliedsbeitrag behandelt. Daher zahlen die Kirchen auch eine Gebühr an den Staat, der die Steuer erhebt. Beginnend mit der Reformationszeit und verstärkt im 19. Jahrhundert mussten die Kirchen Teile ihrer Güter und damit einen erheblichen Anteil ihrer Einnahmequellen an den Staat abtreten. Im Gegenzug verpflichtete sich der Staat, den Kirchen Ausgleichszahlungen für diese Verluste und den Unterhalt der kirchlichen Liegenschaften zu leisten. Diese sogenannten Staatsleistungen gibt es bis heute. Die Kirchen nutzen derweil den Großteil der Einnahmen, um in Personalkosten, also Gehälter für Bischöfe, Domkapitulare, den Pensionsfonds für Geistliche oder für Priesterseminare zu bezahlen.
Allerdings wurde bereits in der Weimarer Verfassung geregelt, dass die Ansprüche der Kirchen nicht für ewig bestehen sollten. Das Grundgesetzt übernahm diesen Auftrag. FDP, Grüne und Linke schlagen nun in ihrem Entwurf vor, ein Grundsätzegesetz zu schaffen, dass sich am Bewertungsgesetz orientieren soll. Zentral hierfür ist, dass bei der Ablösung durch
Geldleistungen das Äquivalenzprinzip zugrunde gelegt wird. Auf diese Weise soll ein vollständiger Ausgleich der Entschädigungen gewährleistet werden. Der Gesetzentwurf ist aus einem langen Gesprächsprozess hervorgegangen, zu dem auch die Koalitionsfraktionen eingeladen waren. Auch mit Vertreterinnen und Vertretern der beiden großen christlichen Kirchen gab es intensive Gespräche. Ein solches Grundsätzegesetz wäre seit über 100 Jahren geboten und würde es den Ländern ermöglichen, ihrer Pflicht zur Ablösung rechtssicher nachkommen und Ablösegesetze entwickeln zu können. Schließlich bedeutet die Aufnahme der Staatsleistungen in das Grundgesetz auch, dass die finanzielle Entflechtung von Staat und Kirchen endlich abgeschlossen werden soll.

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