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Endzeit in der Eifel: Norbert Scheuer eröffnet die LiteraTour Nord mit Winterbienen16.10.2019



Text | Horst E. Wegener
Foto: ©ElviraScheuer

Es muss mitnichten immerzu der Alltag in der Großstadt sein, dem Literaten ihr Interesse schenken. Auch abseits der hektischen Metropolen lassen sich spannende Geschichten zuhauf entdecken oder erfinden, die von sprachmächtigen Autoren bisweilen sogar in Weltliteratur verwandelt werden können.
Die kaschubischen Rübenäcker von Günter Grass mögen hier als Vorzeigebeleg reichen; längst bettet auch der Ende 1951 im Eifelstädtchen Prüm geborene Schriftsteller Norbert Scheuer Gedichte und Geschichten mit Vorliebe in die ihm von klein auf vertraute Umgebung seiner ländlichen Heimatregion ein. In der Bergarbeitergemeinde Kall, wo der Nebenerwerbsliterat bis vor zwei Jahren als Systemprogrammierer bei der Deutsche Telekom in Lohn und Brot stand, ist „Winterbienen“ angesiedelt. Der Roman verarbeitet Tagebuchaufzeichnungen, die Scheuer von einem älteren Herrn in der Bäckerei seines Wohnorts überreicht bekommen haben will – gemäß einer Herausgeberfiktion im Nachwort zum 320-Seiter. Die Handlung spielt in dieser Gegend, unweit der belgischen Grenze anno 1944/45. Als Ich-Erzähler wird der Tagebuchschreiber Egidius Arimond eingeführt, ein aus dem Schuldienst entlassener Lateinlehrer, dessen Leben gemäß der Ideologie der Nazis eigentlich nichts mehr wert ist, seit ihn epileptische Anfälle plagen. Wäre sein Bruder nicht ein Flieger-As bei den Nazis, hätte man Egidius höchstwahrscheinlich längst ins Lager gesteckt. Doch so hat man ihn nur sterilisiert, ist er vom Wehrdienst befreit und kann die Bienenzucht des verstorbenen Vaters fortführen. Um sich die teuren überlebensnotwendigen Medikamente leisten zu können, verhilft der Epileptiker Juden gegen Bezahlung zur Flucht nach Belgien: Erst versteckt Egidius sie in einem der vielen unterirdischen Stollen der Gegend, bevor er sie im Inneren seiner präparierten Bienenstöcke gen Grenze transportiert. Welcher Grenzer wollte sich schon einem Karren mit hörbar summenden Bienen nähern? Kurzum: Lange Zeit darf sich unser Fluchthelfer sicher fühlen, bandelt der schönen Frauen zugewandte Erotomane sogar mit der Frau des Kreisleiters der NSDAP an. Erst mit dem Absturz eines US-amerikanischen Flugzeugs und der Suche der deutschen Feldjäger nach dem Überlebenden wendet sich das Blatt, greift die Kriegsverheerung um sich, bis sogar Egidius der Gestapo in die Hände fällt. Zwar überlebt er selbst die medikamentenlose Zeit im Kölner Folterkeller der Nazis, kommt bei Kriegsende wieder frei, doch der Gottvater spielende „Winterbienen“-Autor Scheuer platziert die Bienenstöcke seines Epileptikers in ein Minenfeld…
Dank seiner klaren, einfachen, niemals aufdringlichen Sprache hat es der spätberufene Literat Norbert Scheuer schon vor zehn Jahren mit „Überm Rauschen“ auf die Shortlist zum Deutschen Buchpreis geschafft. Für „Winterbienen“ wurde ihm jetzt der von der Stadt Braunschweig und dem Deutschlandfunk gestiftete Wilhelm-Raabe-Literaturpreis verliehen, gelangte Scheuer erneut unter die Finalisten des Deutschen Buchpreises anno 2019. Egal, ob man ihm auch letzteren Preis zuerkennen mag oder nicht: Im Rahmen der Auftakt-Lesung zur diesjährigen LiteraTour Nord dürfen wir der Begegnung mit einem charismatischen, eloquenten Schriftsteller entgegensehen.

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