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Wochenzeitung DIABOLO:
Unversöhnlich?
Parallelwelt Landsmannschaft Ostpreußen10.01.2019

Text  |  Christoph Kienemann

In Zeiten der Sozialen Medien ist viel von Filterblasen und Echokammern die Rede, dabei existieren auch abseits des Internets Gruppen, die ihre ganz eigenen Diskussionen führen und ihre eigenen Sichtweisen auf die Vergangenheit und die Gegenwart pflegen. Wer einmal ein Seminar der Landsmannschaft Ostpreußen besucht, kann davon ein Lied singen.

Der Bund der Vertriebenen und die jeweiligen Landsmannschaften, in denen sich ein Teil der Menschen organisiert, die von Flucht und Vertreibung nach dem Zweiten Weltkrieg betroffen waren, erhalten einen Teil ihrer Finanzmittel von Bund und Ländern. Dabei sollen diese Mittel für „Maßnahmen der Vertriebenen zur Förderung des friedlichen Miteinanders mit den Völkern Ostmittel-, Ost- und Südosteuropas“ eingesetzt werden. Allein der Bund wendete im Jahr 2018 ca. eine Millionen Euro für die Förderung des Bundes der Vertriebenen auf und gab eine weitere Million für die Projektförderung aus, mit denen die Landsmannschaften beispielsweise ihre kulturhistorischen Seminare finanzieren. Dabei steht unter anderem die Landsmannschaft Ostpreußen immer wieder in der Kritik, eher im rechten bis rechtsextremen Bereich des politischen Spektrums angesiedelt zu sein. Bis 2010 stand der Landsmannschaft beispielsweise der Politiker Wilhelm von Gottberg vor. Mittlerweile für die AfD im Bundestag, spricht Gottberg noch heute von einem „Kult mit der Schuld“ und bezeichnete 2001 den Holocaust als Instrument für die Kriminalisierung der Deutschen. Keine guten Voraussetzungen für ein Miteinander der europäischen Völker.
Seit dem Jahr 2010 ist der CDU-Politiker Stephan Grigat Sprecher der Landsmannschaft. Auf dem Jahrestreffen der Landsmannschaft Ostpreußen sprach Grigat im Jahr 2017 über die Einheit des „deutschen Volkes“ und die Freiheit des einzelnen „Volkszugehörigen“. Die Zuwanderungspolitik der Bundesregierung habe die Bevölkerung gespalten und über 1 Million Menschen aus völlig anderen Kulturkreisen seien in das Land gekommen. Die Einheit des deutschen Volkes sei also bedroht durch Ausländer. Eine deutliche Positionierung Grigats im rechten Spektrum der CDU. Viele hätten heute wieder Angst, aus ihrer Heimat vertrieben zu werden, so Grigat weiter.
Wo liegen die Gründe für diese politische Positionierung der ostpreußischen Landsmannschaft? Eine Erklärung liegt in einem besonderen Geschichtsverständnis und in einem besonderen Verständnis der eigenen Identität, das viele Ostpreußen noch heute pflegen. Viele sehen Ostpreußen noch heute als deutscheste Provinz an, eine Art Urdeutschland. Dabei fällt die eigentliche Geschichte Ostpreußens unter den Tisch. Während in der Erinnerung der Landsmannschaft Ostpreußen stets der deutsche Charakter der preußischen Provinz betont wird, existierte in Ostpreußen einst eine ziemlich multikulturelle Gesellschaft. Noch in der Mitte des 19. Jahrhunderts spricht man im südlichen Teil der Provinz Ostpreußen polnisch, im Norden litauisch und in der Mitte deutsch. Erst mit der Gründung des Deutschen Reiches im Jahr 1871 beginnt sich eine radikale deutsche Identität zu entwickeln, die sich vor allem über ihren Anti-Slawismus definierte. In den 1930er-Jahren erhielten die Nationalsozialisten dann in Ostpreußen eine höhere Zustimmung, als im Rest des Landes. Dieses problematische Bild Ostpreußens wurde nach 1945 verdrängt, es dominierten romantisierende Bilder, die ein Heimatgefühl vermitteln sollten. Viele Ostpreußen sehen sich noch heute in einer Opferrolle. Ein kritischerer Umgang mit der eigenen Geschichte wäre dabei schon lange angebracht gewesen.

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